Podcasts made in Marzahn-Hellersdorf

Hörtipp:

Podcasts made in Marzahn-Hellersdorf

Jeremy Jarsetz (M.) und Jonas Knorr (r.) interviewen für „PoliTalk“, den Podcast des Kinder- und Jugendparlaments, Politiker:innen von hier. Links: Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).
Jeremy Jarsetz (M.) und Jonas Knorr (r.) interviewen für „PoliTalk“, den Podcast des Kinder- und Jugendparlaments, Politiker:innen von hier. Links: Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).

Seit rund 100 Jahren können wir Radio hören. Und trotz des Booms der Fernsehindustrie einerseits und der Entwicklung tragbarer Musikspielgeräte wie Kassetten-, CD- und Digital Audio Player (DAP) hat sich der Rundfunk gehalten. Es gab lange Zeit aber vor allem ein Problem: Um eine Sendung zu hören, musste man zu einer bestimmten Zeit am Rundfunkempfänger sein. Das hat sich mit der Erfindung des Podcasts geändert. Audio- oder Videobeiträge werden dafür mitunter „rundfunkähnlich“ erstellt, sind aber jederzeit online abrufbar. Man kann sie kostenlos abonnieren und auch herunterladen. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern Pod für „playable on demand“ (spielen auf Abruf) und „Broadcast“ (Rundfunksendung) zusammen. 

In der Corona-Zeit entdeckten auch viele Akteur:innen aus Marzahn-Hellersdorf den Podcast für sich. Da Veranstaltungen reihenweise ins Wasser fielen, wurde nach Ersatzformaten gesucht. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau (Linke), etwa begann Ende März 2020, also kurz nach Beginn des ersten Lockdowns, über einen Podcast aus ihrem 2015 erschienenen Buch „Gottlose Type“ zu lesen – jeden Donnerstag, immer in kleinen Fünf-Minuten Häppchen. Nach einem Jahr war das Buch zu Ende.

 

Queerer Podcast

Schon vor der Pandemie, im Januar 2020, starteten Serg Darling und Queen Zerspielt aus Marzahn ihren Podcast „Cock Destroyers“. Sie sprachen ausgiebig und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen über Sex und Social Media, stritten über die Vorzüge von Dorf- und Stadtleben aus der Perspektive von Homosexuellen und beantworte­ten Zuhörerfragen. Doch schon nach fünf Folgen war Schluss.

 

Hinter den Bibliothekstüren

Einen deutlich längeren Atem hat das Team der Mark-Twain-Bibliothek. Als in der Pandemie die Frage aufkam, ob die Mitarbeiter:innen jetzt die Füße hochlegen könnten, war der Podcast „Tagebuch einer geschlossenen Bibliothek“ geboren. Die Bibliothekar:innen begannen, jeden Tag kurz zu erzählen, was es hinter verschlossenen Türen alles zu tun gibt. Die Interviews führte Renate Zimmermann. Nach und nach lichteten sich jedoch die Reihen. Einige Beschäftigte mussten im Gesundheitsamt aushelfen, andere gingen ins Homeoffice. Da wurden die Folgen eben von zu Hause aus produziert. Auch ein Ersatz für eine Leseveranstaltung entstand. Dafür konnte die Autorin Birgit Letze-Funke gewonnenen werden.

 

Längst ist die Bibliothek wieder geöffnet. Doch der Podcast lebt weiter. Jetzt gibt es unter der Überschrift „Mittwochs in der Bibliothek“ wöchentlich eine neue Episode auf die Ohren. Und trotz der inzwischen beachtlichen Zahl von 223 Beiträgen fallen Renate Zimmermann weiter spannende Themen ein. Neu hinzugekommen ist die Reihe „Schwebende Bücher on Air“. Bibliothekar:innen stellen alle sechs Wochen in gemütlicher Runde Werke vor, die sie in dieser Zeit gelesen haben und für empfehlenswert halten. Es wird gelobt und heftig kritisiert. Auch Besucher:innen können ihre Leseerlebnisse mitteilen. 

 

 

Für Geflüchtete auf Sendung

Einen anderen Zugang zum Medium fand Susanne Bayer. Die Künstlerin erhielt den Auftrag, für die Modularen Geflüchtetenunterkünfte in Marzahn ein Kunst-am-Bau-Projekt zu entwickeln. Die Idee: Bewohner:innen stellen gemeinsam mit Nachbar:innen eine Rundfunksendung auf die Beine. Berichtet werden sollte vom Ankommen in Marzahn, Berlin und Deutschland, von Erfahrungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, von Alltagsrassismus, Traditionen, Festen und Musik. Um den Empfang zu gewährleisten, wurden in den Küchen der Unterkünfte extra kleine Radios montiert. Doch zur Sendezeit am Nachmittag saß kaum jemand vor den Geräten. Da kam den Beteiligten der Einfall, die Beiträge als mehrsprachigen Podcast anzubieten. Mittlerweise gehören zur Radio Connection 15 Personen aus sieben verschiedenen Ländern.  

 

Schulleben und Politik-Talk

Die Liste der Podcasts aus dem Bezirk ließe sich noch lange fortsetzen. Schüler:innen der Rudolf-Virchow-Oberschule sprechen regelmäßig darüber, was an ihrer Schule, in ihrem Kiez und in der Welt so abgeht. Das Kinder- und Jugendparlament des Bezirks hat für seinen Podcast „PoliTalk“ schon Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic, Sozialstadträtin Juliane Witt, Familienstadtrat Gordon Lemm und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch ans Mikro bekommen (Foto). 

Auch die Predigten der Hellersdorfer Evangeliums-Christen-Gemeinde oder Beiträge der Wolfgang-Amadeus-Mozart-Schule aus den Jahren 2020/21 sind online abrufbar. Selbst wer in „Die Kulturfritzen“ von Marc Lippuner und andere Hauptstadt-Podcasts reinhört, stößt hier und da auf Marzahn-Hellersdorfer Themen. 

 

Karl Forster