So wichtig ist Selbstbestimmung für Patientinnen

Ob im Kreißsaal oder vor einer gynäkologischen OP

So wichtig ist Selbstbestimmung für Patientinnen

Dass Endometriose – eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen – noch immer weitestgehend unerforscht ist, hat viel mit der Dominanz von Männern in der Medizin zu tun. Ähnlich sieht es mit der Menopause oder dem weiblichen Orgasmus aus. Auch in der Geburtshilfe, bei Verhütung oder Schwangerschaftsabbrüchen gibt es zahlreiche Beispiele für bis heute ignorierte Bedürfnisse von Patientinnen. Doch eine neue Generation von Medizinerinnen macht sich für eine feministische Frauenheilkunde stark. Zu ihnen gehört Dr. Blanka Kothé. Sie leitet seit vergangenem Jahr die Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Kaulsdorf. Für die Februar-Ausgabe der „Hellersdorfer“ hatten wir mit der Chefärztin darüber gesprochen, wie wichtig Selbstbestimmung für ihre Patientinnen ist. 

„Das Team ist jetzt komplett“, freut sich Dr. Blanka Kothé, die seit knapp einem Jahr die Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Kaulsdorf leitet. In den vergangenen Monaten konnte die Chefärztin jede Menge ärztliches Personal nach Kaulsdorf locken. Die neuen Oberärztinnen bringen nicht nur frischen Wind aus verschiedenen Häusern mit, sondern auch geballte Fachkompetenz auf diversen Gebieten – unter anderem in der minimalinvasiven Chirurgie von Endometriose, Myomen und Beckenbodenproblemen und bei vaginalen Geburten von Zwillingen und Beckenendlagen. 

 

Mit ihnen und den langjährigen erfahrenen Mitarbeiter*innen möchte Blanka Kothé den Ausbau von innovativen Verfahren in der Gynäkologie vorantreiben und die interventionsarme, bedürfnisorientierte Geburtshilfe in Kaulsdorf weiter stärken. „Alle sind hochmotiviert. Drei unserer Kolleginnen machen gerade zusätzlich eine Psychotherapie-Ausbildung“, berichtet Kothé, die Verfechterin einer ganzheitlichen, psychosomatischen Frauenheilkunde ist. Die Nähe zur Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik auf dem Krankenhausgelände in der Myslowitzer Straße sei in der Hinsicht ein „absoluter Standortvorteil“, meint die Medizinerin..

 

Kursangebot wird ausgebaut

Den Spagat zwischen Klinikalltag und den Visionen, mit denen sie hier im Mai 2023 angetreten ist, zu meistern, sei herausfordernd, gesteht Blanka Kothé, mache aber auch enorm viel Spaß. „Wir haben uns in der Geburtshilfe viel vorgenommen“, sagt sie. Der Ausbau des Kursangebots für Schwangere, Eltern und Babys sei bereits angelaufen. Die monatlichen Elterninformationsabende finden inzwischen auch wieder in Präsenz statt – inklusive Kreißsaalführungen. 

Täglich gelebter Anspruch des Hebammen-Ärzt*innen-Teams ist es, die Frauen darin zu bestärken, die Geburtssituation selbst in der Hand zu haben und sich nicht ausgeliefert zu fühlen. Denn für Gebärende kann es traumatisch sein, bei notwendigen Eingriffen wie Kaiserschnitten, Dammschnitten oder dem Einsatz einer Saugglocke vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Ohnehin soll die Geburtshilfe in Kaulsdorf mit der schon besonders gut umgesetzten 1:1-Hebammenbetreuung noch interventionsärmer werden, da natürliches und selbstbestimmtes Gebären sowie ein positives Geburtserlebnis als wirksamer Schutz gegen postpartale Depressionen gelten und prägend für die Gesundheit und den Bindungsaufbau von Mutter und Kind sind.

 

„Beziehungsgeleitete Geburtskultur“ etablieren

„Es gibt in der Hebammenwissenschaft jede Menge Forschung dazu“, so Kothé. Viel zu lange, sagt sie, wurde der Erfolg einer Geburt in erster Linie danach bemessen, ob ein Baby mit einem gesunden pH-Wert zur Welt komme und der Apgar-Score beim Gesundheitscheck im grünen Bereich liege.  Entscheidend seien aber eben nicht nur medizinische Faktoren, sondern auch ein funktionierendes Beziehungsgeflecht zwischen Mutter und Partner*in, Hebamme, Geburtshelfer*in und der gesamten Gesellschaft. Dies in den Blick zu nehmen und auf die Bedürfnisse und Grenzen der Gebärenden einzugehen, hat sich das Team der Geburtsklinik auf die Fahnen geschrieben. Die Chefärztin spricht von „Beziehungsgeleiteter Geburtskultur“, die sie zunehmend etablieren möchte. Das sei ein intensiver Prozess. „Wir machen dazu große Teambuildings.“

 

 


Dr. Blanka Kothé

Chefärztin der Gynäkologie und Geburtsmedizin

Vivantes Klinikum Kaulsdorf

 

Kontakt

Telefon (030) 130 17 2150

E-Mail: frauenklinik.khd@vivantes.de

 

Sprechstunden

■ präoperativ für Zweitmeinungen | Chefärztinsprechstunde

■ Aufnahmesprechstunde (ambulant und stationär)

■ Geburtsplanung | BEL-Wendungen | Doppler

■ Endometriose | Myome | Dysplasien | Tumore


Umfangreich aufklären, selbstbestimmt entscheiden lassen

Selbstbestimmung steht als Schlagwort in großen Buchstaben auch über der operativen Gynäkologie und der reproduktiven Medizin. Viel zu häufig werde vor allem jungen Frauen von Ärzt*innen die Fähigkeit abgesprochen, über den eigenen Körper frei entscheiden zu können. „Wenn eine Frau, Mitte 20, aus welchen Gründen auch immer sich die Gebärmutter oder die Eileiter entfernen lassen möchte, werde ich sie ausführlich dazu aufzuklären. Auf Basis dieser Informationen sollte sie aber ihre eigene Entscheidung treffen dürfen und nicht von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um genau das zu bekommen, was sie für sich entschieden hat“. Ihre persönliche Überzeugung müsse sie da hintenanstellen, betont Dr. Blanka Kothé.

 

Gynäkologische Expertise für Frauen in jeder Lebenslage

Ärztliche Bevormundung erleben Patientinnen deutschlandweit aber auch im Rahmen von Schwangerschaftsabbrüchen und Fehlgeburten, weiß die Chefärztin der Kaulsdorfer Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Sie spricht sich unter anderem dafür aus, auch Frauen mit einer Fehlgeburt oder bei medizinischer Indikation zum Schwangerschaftsabbruch nach der 14. Woche die Wahl zu lassen zwischen einer Geburt, die durch Medikamente eingeleitet wird und sich manchmal über Tage hinweg zieht oder einer ambulanten Operation zur Beendigung der Schwangerschaft, wie es in unseren Nachbarländern optional möglich ist. Viele ihrer Kolleg*innen würden ab der zehnten oder zwölften Schwangerschaftswoche überhaupt nicht mehr operieren und dann per se eine durch Medikamentengabe eingeleitete „stille Geburt“ empfehlen – hauptsächlich aus zwei Gründen: Zum einen fehle die operative Ausbildung und deutsche Leitlinien und zum anderen werde unterstellt, dass es für alle Schwangeren gut wäre, sich von ihrem Baby zu verabschieden. Blanka Kothé weiß aber: „In dieser Situation gebären zu müssen, ist für manche unvorstellbar. Ausschlaggebend für eine gute Trauerverarbeitung ist die Entscheidungsfreiheit und die gute Begleitung. Das berichten uns Frauen immer wieder.“ Darum hat es sich die Chefärztin auch zum Ziel gesetzt, ein entsprechendes Ausbildungszentrum für den medizinischen Nachwuchs aufzubauen. Weitere gynäkologische Schwerpunkte in Kaulsdorf sind die schonende, organerhaltende Behandlung von Dysplasien, Endometriosen, Myomen und Karzinomen. Zu all diesen Erkrankungen bietet Kothé spezialisierte Sprechstunden an.