Ein Leben für den Sport

Thomas Jüttner gibt seine große Leidenschaft für Judo seit 25 Jahren weiter

Ein Leben für den Sport

In unserer Serie „Einfach machen!“ stellen wir Menschen vor, die durch ihr besonderes Tun zu Persönlichkeiten reiften und mit ihrem Engagement Gutes vollbringen – für den Bezirk und die Menschen, die hier zu Hause sind. Thomas Jüttner ist so ein Vorzeige-Marzahn-Hellersdorfer.

Nur wenige leben so für ihren Sport wie der 41-jährige Judoka. Seit 25 Jahren trainiert der Träger des dritten schwarzen Gürtels mit großem Enthusiasmus Athleten jeden Alters. Außerdem ist er bundesweit als Kampfrichter im Einsatz und Vizepräsident des Berliner Judo-Verbands.

 

Herr Jüttner, wann hat Sie die Leidenschaft für  Judo gepackt?

Ein Freund hat mich eines Tages gefragt, ob ich nicht mal mit zum Judo-Training kommen wolle. Da war ich acht Jahre alt. Ich bin mitgegangen und hatte im Handumdrehen Würfe drauf, mit denen ich meine Gegner schnell besiegen konnte. Das hat natürlich Spaß gemacht und mich unglaublich motiviert. Relativ bald ging es dann in den Kader fürs Trainingszentrum. Als die Aufnahme an die Kinder- und Jugendsportschule in Hohenschönhausen bevorstand, kam die Wende ...

 

... und die KJS war Geschichte.

Es herrschte damals noch völlige Unklarheit, ob man auf der Sportschule auch Abitur machen kann. Mir war bewusst, dass ich in der neuen Gesellschaft einen ordentlichen Abschluss brauche, also bin ich hier in Hellersdorf aufs Max-Reinhardt-Gymnasium gegangen und habe den Leistungssport aufgegeben.

 

Bereuen Sie den Schritt heute?

Meine damalige Trainingsgruppe war später in der ersten Bundesliga unterwegs. Das ist schon eine tolle Sache. Aber ich bin einen anderen Weg gegangen. Und die vergangenen 25 Jahre möchte ich nicht missen.

 

Mit zarten 16 Jahren begann Ihre Trainer-Karriere. Wie kam’s?

Ich hatte eine Weile komplett mit Judo aufgehört und stattdessen Fußball gespielt. Irgendwann zog es mich wieder in die Halle meines alten Vereins, der sich von SG Dynamo Berlin Mitte in JSV Falken Berlin umbenannt hatte. Die suchten damals händeringend Übungsleiter und ich erklärte mich bereit, mitzumachen. Später ging es für mich dann tatsächlich auch wieder aktiv auf die Judo-Matte. Mein letztes großes Turnier waren die Berliner Meisterschaften 1995. Da bin ich Vizemeister geworden, zog mir im Halbfinale allerdings eine schwere Schulterverletzung zu. Seitdem liegt mein Fokus auf der Trainertätigkeit, auch wenn ich bis vor drei Jahren noch in der Regionalliga gekämpft habe.

 

Wie haben Sie eigentlich zum Hellersdorfer Athletik-Club Berlin gefunden?

Der Haupttrainer der Falken hatte von einem Tag auf den anderen alles hingeschmissen und ich stand als 16-Jähriger plötzlich allein mit den Sportlern da. Um weiter Training machen zu können, holte ich mir einen 18-Jährigen ins Boot. Nach den Sommerferien mussten wir völlig verblüfft feststellen, dass wir unsere Hallenzeit an die Handballer des ACB verloren hatten. Ich hatte ja keine Ahnung, dass man die Zeiten jedes Jahr neu beantragen muss. So entstand der Kontakt zum Club. Die Vereinsbosse Liebsch und Kramer boten an, uns als Abteilung aufzunehmen. Am 1. Januar 1996 war es dann so weit.

 

Sie sind Trainer, Abteilungsleiter, Kampfrichter und Funktionär. Hand aufs Herz: Wie viel Zeit bleibt da noch für andere Dinge im Leben?

Na ja, ich muss ja auch Geld verdienen und gehe ganz regulär arbeiten. Und wenn meine zwölfjährige Tochter alle 14 Tage übers Wochenende bei mir ist, dreht sich auch nicht alles um Judo.

 

Viele Vereine klagen über Nachwuchssorgen. Sie ebenfalls?

Wir sind aktuell 130 Judokas. Das passt schon. Aber es ist schwieriger geworden, die Kinder bei der Stange zu halten. Es fehlt an Verlässlichkeit und Kontinuität. Viele Erstklässler, die zu uns kommen, sind noch extrem verspielt, unaufmerksam und verlieren schnell die Lust. Wir versuchen in Vorschulgruppen, die Drei- bis Sechsjährigen langsam an den Sport heranzuführen.

 

Was fasziniert Sie an Judo?

Für mich ist faszinierend, dass man einfach alles trainiert. Gefragt sind vor allem körperliche Fitness, Schnelligkeit, Maximalkraft und Technik. Außerdem verkörpert Judo ein wichtiges Wertesystem: Respekt vor dem Gegner, Disziplin auf der Matte, Pünktlichkeit und vieles mehr. Bei uns gibt es – anders als bei dem einen oder anderen zu Hause – noch feste Rituale und Prinzipien. Kinder brauchen das. Sie geben ihnen Halt und Orientierung.

 

Saison-Höhepunkt für die ACB-Judokas ist der Tuzla-Cup.

Ja, das Turnier zieht inzwischen Breiten- und Leistungssportler von nah und fern an. Zum 20. Jubiläum 2015 sind Judokas aus 15 verschiedenen Ländern angereist. Auch der Verein von Wladimir Putin war schon dreimal vertreten. Angefangen haben wir mal ganz klein mit drei Judo-Matten und rund 100 Sportlern. Jetzt sind es sechs Matten und um die 400 Sportler. Weil das Niveau ziemlich hoch ist, wird der Tuzla-Cup von einigen Teilnehmern sehr gern als Vorbereitung für große internationale Wettbewerbe wie die EM genutzt.

 

So eine große Sportveranstaltung bedeutet viel Arbeit.

Klar. Aber wir haben inzwischen Erfahrung und werden als Team von Mal zu Mal besser. Jeder Einzelne der 60 Helfer weiß genau, was zu tun ist, packt mit an und schaut auch mal nach links und rechts. Ich kann mich noch gut an die Anfangsjahre erinnern, gerade als das Turnier größer wurde. Da war ich sonntagnachts um drei mit dem Aufräumen in der Halle noch nicht fertig. Heute sind wir um 16 Uhr mit allem durch. Es hat sich super entwickelt.

 

Was hat der Tuzla-Cup mit dem Bosnienkrieg zu tun?

Kurz vor Kriegsende wurde auf die Stadt Tuzla im Mai 1995 eine Granate abgeworfen, die das Leben von 70 Jugendlichen auslöschte und 173 Menschen zum Teil schwer verletzte. Das Gedenkturnier haben wir 1996 gegründet, um einen Teil der Einnahmen aus den Startgeldern an die Bürgerinitiative „Hellersdorf hilft Tuzla“ weiterzureichen. Diese engagierten Frauen und Männer hatten nämlich viele Spenden gesammelt, aber es fehlte an Geld für Sprit, um die Sachen in das Gebiet zu bringen.

 

Wird beim Tuzla-Cup auch heute noch an das Massaker erinnert?

Wir sammeln keine Spenden mehr, aber Tuzla ist weiterhin präsent. Zum dritten Mal in Folge durften wir dieses Jahr Zlatko Alomerovic als unseren Ehrengast begrüßen. Er ist ebenfalls Judoka, hat den Bombenangriff als Kind miterlebt und berichtet von seinen Erlebnissen. Heute verstehe ich den Cup als Gedenkturnier für die sinnlosen Opfer eines jeden Krieges. Tuzla ist da leider nur ein trauriges Beispiel von vielen.