Als Kaulsdorf sein Wahrzeichen zurückbekam

Am 19. Juni wird an die Rekonstruktion der Kirchturmspitze erinnert

Als Kaulsdorf sein Wahrzeichen zurückbekam

Am 22. April 1945 fällt das Wahrzeichen Kaulsdorfs vom Himmel und zerschmettert am Boden vor der Jesuskirche. Wie sich später herausstellen sollte, hatten deutsche Soldaten die Turmspitze aus strategischen Gründen abgeschossen. Die anrückende Rote Armee sollte dort kein Geschütz in Stellung bringen können. Kaum zwei Wochen später ist der Zweite Weltkrieg vorbei.

 

Ein halbes Jahrhundert müssen die Kaulsdorfer auf eine neue Spitze warten. So lange schützte ein einfaches Zeltdach aus Zinkblech das sakrale Bauteil an der Dorfstraße. Am 10. August 1999 erhält der Turm dann endlich seine ursprüngliche neogotische Gestalt zurück. Vor den Augen etlicher Schaulustiger und vieler sichtlich bewegter Dorfbewohner wird die zehn Tonnen schwere Holzkonstruktion samt Schieferdeckung und Bekrönung millimetergenau auf die Mauerkrone bugsiert. Die Konstrukteure versichern damals, die Spitze werde 300 Jahre halten. Die ersten 20 Jahre hat sie schon mal schadlos überstanden.

 

Nun wird die Kirchengemeinde am Mittwoch, dem 19. Juni, ab 19 Uhr gemeinsam mit Wegbegleitern, Mitwirkenden, Sponsoren und Interessierten an den historischen Tag erinnern. Zum Auftakt der kleinen Feier hält Klaus Petschelt eine Festrede. Der ehemalige Kaulsdorfer Gemeindepfarrer hatte die Rekonstruktion der Turmspitze einst als Höhepunkt seiner Amtszeit bezeichnet. Barbara und Gerhard Kohlstrung­ zeigen ihren Dokumentarfilm über das Mammutprojekt, dem eine außergewöhnliche Spendenaktion vorausgegangen war. Binnen weniger Monate spendeten Firmen und Privatpersonen die Rekordsumme von 500.000 D-Mark. In der Geschichte des Bezirks hatte es so etwas zuvor noch nie gegeben – und auch nicht danach.

 

„Es herrschte eine unglaubliche Aufbruchsstimmung”, erinnert sich Joachim Klee. Als Bau- und Spendenkoordinator war der heutige Leiter des Kaulsdorfer Turmmuseums maßgeblich an den Restaurierungsarbeiten beteiligt. Die zahlreichen Anekdoten und Geschichten rund um die Turmspitze kennt er natürlich aus dem Effeff. Und man hört dem früheren Maschinenbauingenieur gern zu – etwa wenn er mit Begeisterung von jenem „Schicksalstag“ im Sommer 1997 berichtet, an dem der Spirituosenfabrikant Sergei Schilkin gemeinsam mit dem Chef der Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf (WoGeHe) Jack Gelfort und dem Vorsitzenden des Heimatvereins Dr. Friedrich Wilhelm Bretschneider den Entschluss fasste, den Wiederaufbau des kriegszerstörten Kaulsdorfer Wahrzeichens anzugehen.

 

„Für Schilkin war der Kirchturm eine Art Heimatsymbol“, erzählt Joachim Klee. „In seinem ersten Berufsleben arbeitete Schilkin als Schweißingenieur in der Berliner Innenstadt. Wenn er abends zurückradelte und seine Turmspitze sah, wusste er, dass er zu Hause war.“ Aus tiefer Verbundenheit zu Kaulsdorf gründete der spätere Unternehmer gemeinsam mit seiner Frau Erna 1994 die „Schilkin-Stiftung“, die auch die Fußbodensanierung in der Jesuskirche und einige andere Vorhaben im Bezirk finanzierte. Der Kirchturm war aber sein absolutes Herzensprojekt. Dafür hatte Schilkin mit dem Heimatverein und der Wohnungsbaugesellschaft zwei starke Partner gewinnen können. Vor allem im Mieterjournal der WoGeHe, das in unserem Blatt „Die Hellersdorfer“ erschien, wurde kräftig die Werbetrommel für die Spendenaktion gerührt. Beiträge über die Geschichte der fast 800 Jahre alten Kirche und den Baufortschritt füllten unzählige Seiten. Am Ende zeigten sich die Sponsoren so großzügig, dass mit den Restgeldern auch noch die 1880 entstandene Hochzeitspforte an der Kaulsdorfer Kirche restauriert werden konnte.