Mahlsdorf hat jetzt einen schnuckeligen Wochenmarkt

Frische Produkte direkt vom Erzeuger gibt es donnerstags im Pestalozzi-Treff

Mahlsdorfs schnuckeliger Wochenmarkt

An jedem Donnerstagnachmittag verwandelt sich der Pestalozzi-Treff neuerdings in einen summenden Marktplatz. Die Stände sind voll von frischem Obst und Gemüse, Kräutern, Milchprodukten, Backwaren und Fleisch in Bio-Qualität. Kaufen aber kann man die Lebensmittel nicht. Sie sind bereits im Internet bestellt und bezahlt worden und warten nur noch auf ihre Abholung.

 

Marktschwärmer endlich auch in Marzahn-Hellersdorf

„Marktschwärmer“ nennt sich dieses Einkaufsprinzip, das inzwischen an über 50 Orten in Deutschland regionale Lebensmittelerzeuger*innen vom Land mit den Konsument*innen in den Großstädten zusammenbringt. Die Mischung aus Online-Shop und Bauernmarkt hat ihren Ursprung in Frankreich, wo 2011 die erste Schwärmerei eröffnet wurde. Obwohl das Modell im Berliner Raum schon weit verbreitet ist, musste Marzahn-Hellersdorf jahrelang auf den etwas anderen Wochenmarkt warten.

 

Woher kommt mein Essen und wie wird es produziert?

Am vergangenen Donnerstag hat Vivian Kammholz die erste Marktschwärmerei in den Bezirk gebracht – genauer gesagt in den Garten des Stadtteilzentrums Pestalozzi-Treff (Pestalozzistraße 1a). Die Mahlsdorferin ist gelernte Einzelhandelskauffrau und gerade zum zweiten Mal Mutter geworden. Sie findet es wichtig, zu wissen, woher ihr Essen kommt und wie es produziert wird. „Außerdem kaufe ich so gern auf Wochenmärkten ein, aber bei uns gibt es so etwas ja weit und breit nicht“, sagt die 35-Jährige. Eine Bekannte habe ihr von den Marktschwärmern berichtet. Als Vivian Kammholz erfuhr, dass sie auch selbst Gastgeberin werden kann, nahm sie die Eröffnung der Ausgabestelle in ihrem Kiez einfach selbst in die Hand.

 

Der Standort war schnell gefunden. Allein schon wegen der guten Anbindung sei der Pestalozzi-Treff ideal für das Projekt, findet die Initiatorin: S-Bahn, Straßenbahn und Bus halten fast vor der Tür und auch die B1 ist nicht weit entfernt. „Außerdem haben wir hier im Umfeld gerade eine Einkaufswüste“, ergänzt Gabriele Fichtner, Leiterin des Stadtteilzentrums, mit Hinweis auf den REWE-Neubau am Bahnhof, der frühestens zum Jahreswechsel kommt.

 

Auftaktveranstaltung ein voller Erfolg

Obwohl Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld derzeit rar gesät sind, zeigten sich die Mitwirkenden vom riesigen Erfolg der Auftaktveranstaltung vergangenen Donnerstag dann doch ein wenig überrascht. Neben den 45 Besteller*innen kamen zahlreiche neugierige Familien zum Pestalozzi-Treff, um sich von Vivian Kammholz das Marktschwärmer-Konzept genau erklären zu lassen und die Menschen hinter den Produkten kennenzulernen. Für sie hatten die regionalen Erzeuger*innen auch ein paar Häppchen zum Probieren bereitgestellt. Üblich ist das sonst nicht, denn eigentlich wird nur geerntet und angeliefert, was die Kund*innen vorab online bestellt und bezahlt haben. „So ist praktisch ausgeschlossen, dass wir am Ende Tages Lebensmittel wegschmeißen“, sagt Franziska Erdmann. Die freiberufliche Dozentin und Diplom-Ingenieurin für Landschaftsnutzung und Naturschutz hat in Falkenhagen seit drei Jahren eine Landwirtschaftsschule für Kinder und einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb. Auf knapp vier Hektar baut sie vorrangig Kürbisse, Kartoffeln, Salate, Tomaten, Gurken, Rosenkohl, Wirsing, Grünkohl und Kräuter, darunter auch Lavendel, an. Ganz neu auf dem Hof ist eine Wachteleiproduktion. Verkauft werden die Lebensmittel ausschließlich im eigenen Hofladen oder über die Marktschwärmer.

Obwohl sie ökologisch produziert, verzichtet Franziska Erdmann auf ein teures Bio-Siegel. „Die Leute können jederzeit zu uns auf den Hof kommen und sich anschauen, wie wir arbeiten. Diese Transparenz ist vielen inzwischen sehr wichtig.“

 

Die Erzeuger*innen hinter den Produkten kennenlernen

Dem kann Julia Heidemann nur beipflichten. Die Biesdorferin mag am Marktschwärmer-Prinzip, dass sie als Verbraucherin die Erzeuger*innen persönlich kennenlernt und Wissenswertes über die Lebensmittel, ihre Herkunft und Produktion erfährt. Für frische Produkte aus der Region, die keine langen Transportwege hinter sich haben, ist sie auch bereit, ein bisschen mehr Geld auszugeben. „Jetzt bin ich aber erst mal total gespannt, wie das alles schmeckt.“ In ihren virtuellen Warenkorb hat sie vor einigen Tagen Joghurt, Brot, Salat, Obst, Müsli und Rinderknacker gepackt. Mit ihrer Bestellnummer geht sie nun von Stand zu Stand und holt die Ware ab.

 

Nächste Schwärmerei am 11. Juli

Nach anderthalb Stunden ist das Markttreiben im Pestalozzi-Treff auch schon wieder vorbei und eine sichtlich zufriedene Vivian Kammholz hilft den Händlern bei den letzten Aufräumarbeiten. „Das Feedback war durchweg positiv. Ganz viele Leute sind dankbar, dass es jetzt auch eine Marktschwärmerei in Mahlsdorf gibt.“ Ausruhen kann sie sich auf diesem Erfolg aber nicht. Das nächste Get-together am 11. Juli von 16.30 bis 18 Uhr will vorbereitet werden.

Außerdem arbeitet die Gastgeberin mit Hochdruck daran, das Sortiment breiter aufzustellen. Aktuell bieten in Mahlsdorf acht Erzeuger*innen über 260 Produkte an – vom veganen Apfel-Hanf-Müsli aus Friedrichshagen (7 km) bis zum Rinder-Gulasch in Demeter-Qualität aus Lunow-Stolzenhagen (58 km), von den frischen Bio-Ravioli mit Basilikum-Mandelfüllung aus der Nudelmanufaktur Märkische Schweiz (40 km) bis zum Wildkräuterpesto aus Märkisch Buchholz (49 km). „Wir möchten unbedingt noch mehr Fleischsorten und mehr Obst und Gemüse ins Angebot aufnehmen – bestenfalls von Bauern aus Märkisch Oderland“, sagt Vivian Kammholz, die sich auch um einen Spätabholpunkt bemühen will. Denn einige berufstätige Kund*innen hätten ihr bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass sie es nicht schaffen würden, ihre Einkäufe bis 18 Uhr im Pestalozzi-Treff abzuholen. Für die werde nun nach einer Lösung gesucht.

 

 

So funktioniert’s

Auf der Website der Marktschwärmer findet man die nächstgelegene Schwärmerei. Nach der Registrierung kann man im Online-Shop seinen virtuellen Warenkorb bestücken und den Einkauf bargeldlos bezahlen. Anschließend erhält man eine E-Mail mit der Bestellnummer. Bestellschluss für die Mahlsdorfer Marktschwärmerei ist immer in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch um 2 Uhr. Abgeholt werden kann der Einkauf dann am Donnerstag zwischen 16.30 und 18 Uhr im Pestalozzi-Treff (Pestalozzistraße 1a, 12623 Berlin). Übrigens: Es gibt keinen Mindestbestellwert und keinen Mitgliedsbeitrag.

 

Von jedem Euro, den ein Kunde ausgibt, gehen rund 82 Cent direkt an den/die Erzeuger*in. 10 Cent bekommt die Firma Marktschwärmer für das Bereitstellen der Plattform und etwas über 8 Cent erhält der/die Gastgeber*in für den nicht unerheblichen organisatorischen Aufwand.