Trzoß-dem erklingen die Lieder des Ostens

Aus unserer Rubrik "Einfach machen": Entertainer Siggi Trzoß im Interview

Trzoß-dem erklingen die Lieder des Ostens

Licht aus, Spot an! Unsere Serie „Einfach machen!“ beleuchtet Menschen, die sich für den Bezirk besonders einbringen. Als Gestalter der Schlagerszene des Ostens bereichert Siggi Trzoß seit Jahrzehnten die Kulturlandschaft im Bezirk. Auch noch mit Mitte 70 treibt er seine Projekte voran.

Siggi wuchs in Mahlsdorf-Süd auf und ging in Kaulsdorf zur Schule. Im Unterricht in der Produktion (UTP, 9. und 10. Klasse) melkte er im Dorf Marzahn die Kühe der LPG. Mit 44 Jahren zog er in die Maxie-Wander-Straße und elf Jahre später nach Biesdorf in die Köpenicker Straße.

Gespräch: Ute Bekeschus

 

Lieber Siggi, Menschen erleben dich wie einen alten Bekannten. Wie kommt das?

Ich mache alles nach Gefühl, agiere je nach Situation. Bin mit dem Herzen voll dabei.

 

Wir beide trafen uns am Ort deiner Kindheit – bist du öfter dort?

Am Haus meiner Kindheit in der Uhlandstraße in Mahlsdorf-Süd stand ich das letzte Mal vor mehr als 30 Jahren, aber die Erinnerung kam sofort: Auf dem Hof das Plumpsklo, die Jauchegrube, die Waschküche, der kleine und der große Garten, die Kneipe nebenan, die Namen der Nachbarn und der Spielfreunde. Zur Schule ging ich in der Ulmenstraße. In meinem Kiez, unmittelbar fußläufig in der Winklerstraße, gab es zwei Bäcker, einen Fleischer, einen Lebensmittelladen, eine Arztpraxis, einen Friseur – alles vergangen, nichts davon ist heute mehr da.

 

Dein Lebensmittelpunkt war nie sehr weit entfernt. Warum?

Es ergab sich einfach. Ich lebte ab 1974 in Neuenhagen, zog im Februar 1989 nach Hellersdorf in die Maxie-Wander-Straße, später nach Biesdorf in die Köpenicker Straße und jetzt wohne ich im Bezirk Treptow-Köpenick. An jedem dieser Orte habe ich aus vollem Herzen gelebt und mich engagiert. Nehmen wir meine Zeit in Neuenhagen – damals Kreis Strausberg. Ich arbeitete zunächst an der Einstein-Oberschule, dann im Kinderheim in Dahlwitz Hoppegarten und kam mit den 6- bis 16-jährigen „Rabauken“ prima klar. Einige Kids von damals halten immer noch den Kontakt. Allein dieses Beispiel steht im Gegensatz zur heutigen, einseitigen Darstellung der angeblich genrell­ finsteren Zustände in DDR-Kinderheimen.

 

Vielleicht eine Ablenkung von Zuständen früher im Westen?

Weißt du, nach der Wende habe ich mir von meiner West-Verwandtschaft Diffamierungen und Beleidigungen anhören müssen. Bei solch einem Familientreffen war ich einfach aufgestanden und ließ mich nie wieder blicken.

 

Sehntest du dich früher nach dem anderen Teil Deutschlands?

Nach dem Mauerbau 1961 fiel es mir schwer, nicht mehr mit meinen Cousins Kontakt zu haben. Im Laufe der Zeit blieb ein loser Postverkehr und wir entfernten uns immer mehr voneinander. Ich erfuhr aber viel über ihr Leben im Westen.

An die DDR habe ich geglaubt. Ich erlebte, wie Menschen freiwillig zusammenkamen, dabei erfolgreich waren und es sich schön machten. In unserer Hausgemeinschaft in der Maxie-Wander-Straße haben wir uns alle gut verstanden, beim Arbeiten und auch beim Feiern im eigenen Klub. Zu welcher sozialen Schicht jeder Einzelne gehörte, spielte keine Rolle.

 

Du als Bürgermeister in Dahlwitz-Hoppegarten, hat das Spaß gemacht?

Jein! Spaß machte es, wenn ich manchmal die Arbeit mit meinem „Radio­-Hobby“ verbinden konnte. Ich holte die Radiosendung „7 bis zehn Sonntagmorgen in Spreeathen“ auf die Rennbahn Hoppegarten. Ich organisierte eine Schlagerparade und aktivierte den „Klub der Werktätigen“ mit einer Talkreihe. Außerdem habe ich während dieser Zeit begonnen, unter dem Pseudonym „Manfred“ Schlagertexte zu schreiben. Bis heute sind übrigens bereits 200 Texte entstanden.

 

Ende der 1980er bist du zum Rundfunk gegangen.

Nach einer schweren Erkrankung hatte ich beschlossen, nur noch mein Leben zu leben. Da war ich schon Mitte 40. Mit meiner Tätigkeit beim Rundfunk begann eine produktive, sehr schöne Zeit.

 

Ging das gleich glatt oder brauchtest­ du Unterstützung?

Ich brauchte Hilfe wie jeder interessierte, grundbegabte Neuling. Meine Vorbilder für die Bühnen-und Radioarbeit waren Hans-Georg­ Ponesky und Heinz Quermann. Zu meinen persönlichen Förderern beim Rundfunk gehörten Kalle Neumann und Bernhard Bohlke.

Schlager begeisterten mich schon als Kind, als ich bei meiner Tante Martha den Plattenspieler bedienen durfte. Mit 16 Jahren war ich – absolut jüngstes – Mitglied im Hörer-Kreis des Berliner Rundfunks. Dass man überhaupt auf mich aufmerksam wurde, hatte ich mir mit Kritiken und Vorschlägen erarbeitet. Und mit 19 moderierte ich meine erste eigene Radiosendung. Da war es nur logisch, dass ich eines Tages ein Rundfunk-Profi werde.

 

Schlager des Ostens hatten nach der Wende keine Lobby. Warum machtest du trzoß-dem weiter?

Interpreten der DDR fanden in der neuen Zeit von Anfang an kein Gehör. Schlager des Ostens sind doch aber Teil der gesamtdeutschen Kultur und das braucht gleichberechtigt Aufmerksamkeit. Weil ich meine Haltung nie aufgab, verlor ich im Laufe der Jahre bezahlte Radiosendungen bei Radio Berlin 88,8, Antenne Brandenburg, DeutschlandRadio Berlin und Radio 50plus. Ich machte trzoß-dem weiter, mit kleineren und größeren Schlagershows. Hervorheben möchte ich die zehn Arndt Bause-Galas im Freizeitforum Marzahn zwischen 2011 und 2019. Ich verfasste auch drei Schlagerbücher und das Lexikon „Musik im Blut“. Und immer noch schreibe ich für die Zeitschrift „Super-Illu“ meine Schlager-Kolumne.

 

Auch ALEX Berlin bleibst du treu.

Samstags, 14 Uhr, präsentiere ich dort Hits und Raritäten des Ostens. Dauerbrenner bei ALEX Berlin ist das „Kofferradio“. Die 700. Sendung im Juni war eine öffentliche Veranstaltung. 30 Kollegen waren gekommen und das Publikum hielt acht Stunden lang bei Sauna-Temperaturen durch. Übrigens, der Funke des ostdeutschen Schlagers ist längst auch auf jüngere Menschen und ebenso auf westgeprägte Menschen übergesprungen.

 

Siggi, welche Künstler liegen dir besonders am Herzen?

Meine persönliche Hitliste führt Sonja Siewert an. Mit ihr und ihrem Ehemann Herbert Klein war ich 60 Jahre lang befreundet. Sonja  hatte die DDR-Tanz- und Chansonszene maßgeblich mitgeprägt. Ich bedauere zutiefst, dass sie 2018 verstarb. Zu den vielen Autoren und Künstlern, die ich sehr schätze, gehören Arndt Bause†­, Günther Gollasch†, aus meinem engeren Kreis die Sängerin Julia Axen und den Musiker Hartmut Haker. Und über Hansi Beyer möchte ich sagen, dass er in meinen Augen  DER  Schlagersänger in Gesamtdeutschland ist.

 

„Lebenslust und Lampenfieber“ hieß einmal eine Sendung auf ARTE. Worum ging es?

Es ging um meine „Talenteshow 50+“, mit der ich 13 Jahre lang durch die neuen Bundesländer tourte. Insgesamt 6.000 Menschen stellten ihr „unveröffentlichtes“ Talent auf der Bühne vor – eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht.

 

Was verbindet dich beruflich mit Marzahn-Hellersdorf?

Sehr viel! Ob im TaP, FFM oder im Kulturforum Hellersdorf – meine Projekte fanden großartige Unterstützung. Zwischen 1994 und 1999 begeisterte meine Berliner Talentshow „Lampenfieber“. Und mit der Talkreihe im Kulturforum brachten wir es auf 200! Veranstaltungen. Du, liebe Ute, hast damals als „Hellersdorferin“ zweimal großzügig gespendet und viele andere Unternehmen engagierten sich auch. Fast jedes Mal musste ich ja das Geld für meine Veranstaltungen selbst einwerben.

 

Was läuft aktuell im Bezirk?

Im „Gasthof Zum Oberfeld” moderiere ich regelmäßig den Künstlertreff der Region. Und der nächste „Schwof für die reife Jugend“ im Freizeitform Marzahn findet am 4. Oktober gemeinsam mit Hartmut Haker und Gerd Christian statt. Ich freue mich weiterhin auf das Publikum aus Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf, Biesdorf und Marzahn!

Gespräch: Ute Bekeschus