Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt 77 Tage im Jahr

Equal Pay Day macht auf ungerechte Bezahlung aufmerksam

77 Tage Lohnlücke zwischen Frau und Mann

Marzahn-Hellersdorfs Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) hat heute Vormittag vor dem Rathaus in Helle Mitte die Equal-Pay-Day-Flagge gehisst. Sie und andere Akteur*innen aus dem Bezirk machen damit auf eine große Ungerechtigkeit aufmerksam: den Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern. Der liegt seit Jahren unverändert bei 21 Prozent.

Ginge man davon aus, dass Frauen und Männer in Deutschland den gleichen Bruttostundenlohn bekämen, markiert der „Equal Pay Day“ symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen in Deutschland arbeiten, ohne dafür Geld zu bekommen, während Männer schon seit dem 1. Januar bezahlt werden. Aktuell sind das 77 Tage. Der Aktionstag fällt daher auf den heutigen 17. März. Er steht in diesem Jahr unter dem Motto „Auf Augenhöhe verhandeln – Wir sind bereit.“

 

Dagmar Pohle erklärte in ihrer kurzen Ansprache, der öffentliche Dienst stehe auch in der Bezahlung für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Allerdings gebe es nach wie vor zu viele Branchen in denen dies nicht der Fall sei. „Wir fordern daher für alle Menschen, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“, so die Rathauschefin.

 

Lohnlücke zwischen Frauen und Männern hat viele Gründe

Die Ursachen für die geschlechtsspezifische Lohnlücke (Gender-Pay-Gap) sind komplex. Nach wie vor dominieren Frauen in sozialen Berufen. Dort werden häufig geringere Gehälter gezahlt. Dabei führt uns die Corona-Krise  gerade deutlich vor Augen, wie enorm wichtig diese Arbeit für unsere Gesellschaft ist.

Außerdem bekleiden Frauen seltener qualifizierte Führungspositionen. Rollenstereotype, Geschlechterklischees, Besteuerungssysteme und Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeit und Minijob tun ihr Übriges.

 

Sind Frauen im Job schlechte Verhandlerinnen?

In der öffentlichen Diskussion wird das Gehaltsgefälle gern auch der weiblichen Zurückhaltung angelastet. Der Vorwurf lautet, Frauen würden gerade in Verhandlungen vor konkreten Forderungen zurückschrecken und zu defensiv auftreten. Dabei zeigt die aktuelle Verhandlungsforschung, dass Frauen durchaus verhandeln wollen und dies auch tun. Aber Stereotype und Rollenerwartungen tragen dazu bei, dass etwa weibliche Forderungen am Verhandlungstisch anders bewertet werden: „Was bei Männern als Durchsetzungsstärke gelesen wird, wird bei Frauen nicht selten als Verbissenheit beurteilt“, heißt es in einer Pressemitteilung des Bezirksamts Marzahn-Hellersdorf.

 

Uta Zech, Präsidentin des BPW Germany und Schirmherrin des Equal Pay Day, sagt: „Um die Lohnlücke zu schließen, braucht es neue Verhandlungsstrukturen, die einen kritischen Blick auf bestehende Rollenbilder erlauben“. Um selbstsicher auftreten zu können, benötigten Frauen mehr Informationen als Männer über den Ablauf und die Bewertungskriterien in Verhandlungen und sie bräuchten das Gefühl, für ihre Verhandlungsversuche von Vorgesetzten nicht sanktioniert zu werden.

Außerdem müsse der Verhandlungsbegriff auch auf das Private ausgedehnt werden, so Zech. „Frauenkarrieren enden oft, wenn das erste Kind kommt.“ Eine gerechtere Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit sei daher unabdingbar.

 

Frauen verdienen im Leben nur halb so viel wie Männer

In ihrer jüngsten Veröffentlichung zum „Equal Pay Day“ urteilt die Bertelsmann-Stiftung, die häufig herangezogene Lohnlücke von aktuell 21 Prozent zwischen den Geschlechtern greife sogar zu kurz. Sie könne das wahre Ausmaß der Ungleichheit nur unzureichend abbilden, denn über die Jahre hinweg summieren sich die Unterschiede im Einkommen von Frauen und Männern enorm. Auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet, verdienen Frauen nur etwas mehr als die Hälfte des Einkommens der Männer. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Universität Berlin. Demnach kommen Frauen in Ostdeutschland auf 660.000 Euro und Männer auf etwa 1,1 Millionen Euro (im Westen sind es 830.000 Euro gegenüber 1,5 Millionen Euro).

 

Karrierebrüche und Sorgearbeit

Woran liegt das? Rund die Hälfte der Lebenserwerbseinkommenslücke (Gender-Lifetime-Earnings-Gap) zwischen Frauen und Männern wird durch die vermehrte Teilzeitbeschäftigung und längere Auszeiten vom Arbeitsmarkt von Frauen erklärt. Dabei spielen Kinderbetreuung und die Pflege Angehöriger eine wesentliche Rolle. Noch immer übernehmen diese unbezahlte Sorgearbeit überwiegend Frauen. Die Folge ist: Sie bekommen weniger Lohn und später auch weniger Rente.