Das Bezahlen leider vergessen


Rentner bei angeblichem Ladendiebstahl mit Messer ertappt

Das Bezahlen leider vergessen

© Robert Kneschke - Fotolia.com
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Aufgeregt ist er, der Senior auf der Anklagebank. „Weil ich ein kleines Messer in der Hosentasche hatte, werde ich behandelt wie ein Verbrecher“, schimpft Detlef M.* (74). Dabei war alles nur ein Missgeschick. Als er in einem Baumarkt mehrere Scharniere, ein Nagel-Sortiment und weitere kleine Teile an der Kasse auf das Band legte, habe er nicht an die Waren in seiner Jackentasche gedacht. „Das Bezahlen habe ich leider vergessen.“ 

Es geht um ein Präzisions-Schraubendreher-Set für knapp 40 Euro und eine Kombizange für 18 Euro, die er eingesteckt hatte. Die Umverpackung der Zange habe er zudem mit seinem Messer, das eine Acht-Zentimeter Klinge hatte, entfernt. Als ihn ein Ladendetektiv ansprach, habe er den Mann beschimpft. Die Polizei wurde alarmiert. Weil die Beamten das Klappmesser in der Hosentasche des Rentners fanden, lautet die Anklage auf Diebstahl mit Waffen und Beleidigung. Und das hat Folgen: Mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren werden Diebstähle geahndet, „bei dem der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt“, heißt es im Strafgesetzbuch. „Das Messer hatte ich doch nur durch einen dummen Zufall dabei“, erklärt der Angeklagte aus Hellersdorf. „Kurz vor der Fahrt zum Baumarkt hatte ich in einer meiner Werkzeugkisten nach Schrauben geschaut und dabei das lange vermisste Klappmesser entdeckt.“ Nie würde er einen anderen Menschen körperlich angreifen.

 

Der Staatsanwalt sagt, das kleine Messer allein sei auch nicht strafbar. „Aber in Kombination mit Diebstahl wird es zu einem gefährlichen Werkzeug. Egal, ob es bei einer Tat benutzt wird oder nicht.“ Detlef M. fühlt sich in ein völlig falsches Licht gedrückt. Er sei ohne Einkaufswagen in den Baumarkt gegangen, weil er nur ein paar kleinere Teile und eine Packung Nägel kaufen wollte. Dann sah er das Feinmechanik-Set und nahm es mit. Um an seine Brieftasche zu kommen, hatte er die Box mit den Schraubenziehern und die Zange in seine Jackentasche schieben müssen. Als er dann an der Kasse stand, hatte er die Ware vergessen. Der Ladendetektiv habe ihn daraufhin „schroff“ angesprochen. „Ich wurde etwas ungehalten, das tut mir leid.“ Der Staatsanwalt sieht einen „minderschweren Fall“ gegeben, da niemand verletzt wurde und die Beute gering war. Für einen Dieb mit einem „gefährlichen Werkzeug“ eigentlich ein Glück, denn in diesem Fall beträgt die Mindeststrafe drei Monate oder 90 Tagessätze. Der Ankläger plädiert auf 100 Tagessätze zu je 30 Euro, also 3.000 Euro. Der Verteidiger möchte das Verfahren gegen eine Geldauflage stoppen. „Was im Markt geschah, war kein geplanter Diebstahl.“

 

Das Messer kommt Detlef M. teuer zu stehen: Der Richter schließt sich dem Antrag des Staatsanwalts an. Auch von einem kleinen Messer gehe eine Gefahr aus. „Wer bei einem Diebstahl auf frischer Tat erwischt wird, könnte in emotionaler Erregung danach greifen“, so der Richter. Der Fall sei allerdings minderschwer. Deshalb sei eine Strafe von 100 Tagessätzen ausreichend. Detlef M., der eine Rente von rund 1.000 Euro erhält, wirkt wie erstarrt. „Ich gehe in Berufung“, kündigt er an.                       

 

Kerstin Berg

(*Name von der Red. geändert)