Wenn Straßennamen im Müll landen

1991 wurde in Hellersdorf über Umbenennungen diskutiert, 1992 war es so weit

Wenn Straßennamen im Müll landen

Immer wal wieder stehen Straßennamen auf dem Prüfstand. In der Vergangenheit waren häufig Systemwechsel der Grund dafür. So schwappte nach der Wende auf Beschluss des Senats die große Umbenennungswelle über die Ostbezirke. Auch in Hellersdorf wurde nach ausgiebigen Debatten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eine ganze Reihe von Schildern, die zumeist die Namen bekannter SED-Funktionäre trugen, abmontiert und ersetzt.

Im Fall der Cecilienstraße ist der ursprüngliche Name von 1910 wieder eingeführt worden. Cecilie zu Mecklenburg (1886–1954) war die Schwiegertochter des deutschen Kaisers Wilhelms II. und damit die letzte deutsche Kronprinzessin. 

Von 1984 bis 1992 hieß die Verbindungsstraße zwischen Biesdorf und Kaulsdorf-Nord „Albert Norden“ – benannt nach dem Rabbinersohn, deutschen Journalisten, Kommunisten und SED-Funktionär Albert Norden (1904-1982). 

2015 warf die neue Gesellschaft für bildende Kunst Berlin (nGbK) im Rahmen des Projekts „Wer war Albert Norden?“ die Frage auf, ob die Rückbenennung der Cecilienstraße angesichts des ambivalenten Verhältnisses der Hohenzollern zu den Nazis richtig war.

 

Diese Straßen in Hellersdorf wurden 1992 umbenannt:

 

Albert-Norden-Straße -> Cecilienstraße

Albert Norden (1904-1982): Journalist und Politiker der KPD und SED mit jüdischen Wurzeln 

Cecilie zu Mecklenburg (1886-1954): letzte preußische Kronprinzessin

 

Albert-Schreiner-Straße –> Ernst-Bloch-Straße

Albert Schreiner (1892-1979): Historiker, Journalist und kommunistischer Funktionär 

Ernst Bloch (1885-1977): Philosoph

 

Alexander-Abusch-Straße –> Peter-Huchel-Straße

Alexander Abusch (1902-1982): Politiker, Kulturfunktionär und Autor in der DDR  

Peter Huchel (1903-1981): Lyriker und Redakteur

 

Erich-Wichert-Straße -> Adele-Sandrock-Straße

Erich Wichert (1909-1985): hochrangiger Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit  

Adele Sandrock (1863-1937): Schauspielerin

 

Erwin-Kramer-Straße –> Carola-Neher-Straße

Erwin Kramer (1902-1979): Minister für Verkehrswesen der DDR und Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn

Carola Neher (1900-1942): Schauspielerin

 

Fritz-Selbmann-Straße –> Maxie-Wander-Straße

Fritz Selbmann (1899-1975): Parteifunktionär, Minister und Schriftsteller in der DDR

Maxie Wander (1933-1977): österreichische Schriftstellerin in der DDR

 

Gerhart-Eisler-Straße –> Nossener Straße

Gerhart Eisler (1897-1968): österreichisch-deutscher Journalist und Politiker der DDR

Nossen: Stadt in Sachsen

 

Heinz-Hoffmann-Straße –> Neue Grottkauer Straße

Heinz Hoffmann (1910-1985): NVA-General, Minister für Nationale Verteidigung in der DDR

Grottkau: ehemalige deutsche und nach 1945 polnische Stadt (Grodków)

 

Paul-Verner-Straße –> Louis-Lewin-Straße

Paul Verner (1911-1986): Mitglied des Politbüros des ZK der SED, stellvertretender Staatsratsvorsitzender der DDR 

Louis Lewin (1850-1929): Arzt, Pharmakologe, Toxikologe und Autor, Begründer der modernen Suchtmittelforschung

 

Richard-Staimer-Straße –> Mark-Twain-Straße

Richard Staimer (1907-1982): Kommunist, Spanienkämpfer und Generalmajor der NVA

Mark Twain (1835-1910): US-amerikanischer Schriftsteller

 

Waldemar-Schmidt-Straße –> Erich-Kästner-Straße

Waldemar Schmidt (1909-1975): ehemaliger Polizeipräsident von Ostberlin

Erich Kästner (1899-1974): Schriftsteller, Publizist und Drehbuchautor

 

Wilhelm-Koenen-Straße –> Lily-Braun-Straße

Wilhelm Koenen (1886-1963): SPD-, KPD- und SED-Politiker

Lily Braun (1865-1916): Schriftstellerin, Sozialdemokratin, Frauenrechtlerin und Journalistin

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Brauer (Mittwoch, 20 Januar 2021 18:53)

    Der Heimatverein gab 2008 eine von Dieter Winkler (ehem. Leiter des Hellersdorfer Bezirksmuseums) verfasste Broschüre zu diesem Thema heraus: "Die Straßen- und Platzneubenennungen im Bezirk Hellersdorf in den Neunziger Jahren". Wir haben von dieser Publikation noch einige Exemplare und geben sie an Interessierte gegen einen geringen Beitrag gerne ab (webmaster@heimatverein-marzahn.de oder telefonisch 0171/196 00 56). Hintergründe und Debatten in diesem Zusammenhang wurden von Herrn Winkler ausführlich dargestellt.