Ein Traditionsbetrieb rollt von der Straße

Das Unternehmen Dr. Herrmann ist Geschichte

Ein Traditionsbetrieb rollt von der Straße

Bis zum Schluss fuhr das Unternehmen ganze Linien der BVG, darunter den 399er, 398er und 395er Bus. V. l. n. r.: Christiane Wiedemann, Christian Herrmann und Matthias Lamprecht
Bis zum Schluss fuhr das Unternehmen ganze Linien der BVG, darunter den 399er, 398er und 395er Bus. V. l. n. r.: Christiane Wiedemann, Christian Herrmann und Matthias Lamprecht

Die Dr. Herrmann Gruppe gehörte lange Zeit zu den großen Playern der Busbranche. Sie betrieb ganze Linien der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), fuhr Schienenersatzverkehre, brachte Menschen zu ihren Urlaubszielen, transportierte Schüler von A nach B, kutschierte Senioren zu Tagesausflügen und Gruppen zu besonderen Veranstaltungen. Nun aber sind bei dem Traditionsunternehmen die Lichter ausgegangen.

Was im April 1990 mit einer kleinen Fahrschule in einem Hellersdorfer Plattenbau begann, endete nach über drei Jahrzehnten auf einem 42.000 Quadratmeter großen Firmengelände in Alt-Biesdorf an der B1/B5. Im Januar waren die Busse mit der Dr.-Herrmann-Aufschrift zum allerletzten Mal auf der Straße unterwegs. 

 

Die Entscheidung, alles abzuwickeln, sei ihm nicht leichtgefallen, sagt Christian Herrmann mit Tränen in den Augen. 2007 hatte er die Nachfolge seines Vaters Richard (†2014) an der Spitze der Firmengruppe angetreten und früh lernen müssen, das Unternehmen auch durch schwierige Fahrwasser zu manövrieren. Ein besonders starker Wandel vollzog sich in der Omnibusbranche und der Bustouristik. Das Reiseverhalten der Menschen änderte sich und etliche Billiganbieter drängten auf den Markt. Nach wie vor tobt dort ein erbitterter Preiskampf. Als die Dr. Herrmann Gruppe 2016 den Auftrag des Bezirksamts für die Schülertransporte verlor, war das einer von vielen wirtschaftlichen Rückschlägen, die später noch folgen sollten.

 

„Unser großer Trumpf war lange Zeit, dass wir uns mehrere Standbeine aufgebaut hatten und immer mindestens ein Geschäftsfeld gut funktionierte“, sagt der 42-jährige Geschäftsführer. War in der Fahrschule nichts los, lief der Werkstattbetrieb auf Hochtouren. Geriet der Linienverkehr ins Stocken, brummte der Reiseverkehr. Durch die Corona-Krise aber seien auf einen Schlag alle Bereiche gleichzeitig zum Erliegen gekommen. Vor einigen Monaten ließ dann auch noch die BVG den Vertrag für den Schienenersatzverkehr auslaufen, woraufhin sich Christian Herrmann endgültig genötigt sah, die Reißleine zu ziehen.

 

Besonders nahe sind dem Unternehmer die Massenentlassungen gegangen. In Spitzenzeiten arbeiteten 320 Menschen für das Familienunternehmen – viele von ihnen jahrzehntelang. „Einer unserer Busfahrer war 27 Jahre an Bord.“ Erleichtert ist Christian Herrmann, dass eine nicht unerhebliche Zahl seiner Beschäftigten von den Verkehrsbetrieben übernommen wurde. Auch das Betriebsgelände ist jetzt BVG-Land.

 

Am 29. Januar verabschiedete sich der Chef offiziell von seiner Crew. Hinter ihm liegen hochemotionale und strapaziöse Wochen. Seiner Zukunft sieht Christian Herrmann eher gelassen entgegen. Die Fahrschule ist verkauft, ein Großteil der Flotte ebenfalls. Auch die Liegenschaft bringt noch gutes Geld ein. Nach einem Schlaganfall und drei Burnouts weiß der dreifache Familienvater, dass ein volles Konto und Erfolg längst nicht alles sind. Untätig sein kommt für den Unternehmer aber auch nicht infrage. In Christian Herrmanns Berufsleben werden künftig Gebäude statt Autos eine große Rolle spielen. „Ich verlege quasi mein Geschäftsfeld von der Mobilität auf die Immobilität.“