„Im März muss ich wieder im Auto sitzen“

Fahrschulinhaber Dirk Doberenz:

„Im März muss ich wieder im Auto sitzen

 Als Erinnerung an die skurrile Episode hat Dirk Doberenz einen Zeitungsartikel und ein Foto vom Gorbi-Besuch eingerahmt. © pressefoto-uhlemann.de
Als Erinnerung an die skurrile Episode hat Dirk Doberenz einen Zeitungsartikel und ein Foto vom Gorbi-Besuch eingerahmt. © pressefoto-uhlemann.de

„Dirks Fahrschule“ in Hellersdorf sorgte 1998 mit einer ulkigen Klo-Geschichte für Schlagzeilen. In der Hauptrolle: Michail Gorbatschow. Aktuell hat Inhaber Dirk Doberenz aber wenig zu lachen. Die Krise macht ihm zu schaffen.

Auch Prominente müssen mal. Doch im März 1998 dürfte es in Hellersdorf mindestens genauso schwierig gewesen sein wie heute, eine öffentliche Toilette zu finden. Bei einem Rundgang durchs Kienberg-Viertel blieb dem ehemaligen Staats- und Parteichef der UdSSR, Michail Gorbatschow, jedenfalls nichts anderes übrig, als im alten Konsumwürfel an der Gothaer Straße bei „Dirks Fahrschule“ nachzufragen, ob er dort das WC benutzen könne.

 

Dirk Doberenz muss schmunzeln, wenn er die Geschichte erzählt. Als Erinnerung an die skurrile Episode hat er einen Zeitungsartikel und ein Foto an der Wand hängen. „Jeder Besucher, der hier reinkommt und älter als 30 Jahre ist, spricht mich darauf an.“ 

 

Er selbst habe den prominenten Besuch seinerzeit leider verpasst. „Meine Mitarbeiterin Angela Ramesch rief mich nur ganz aufgeregt an und sagte: „Dirk, Dirk, Dirk, stell dir mal vor: Gorbi ist bei uns auf Toilette.“ Als Dankeschön hinterließ der russische Politiker auf der weißen Raufasertapete des Fahrschulbüros mit schwarzem Filzstift die Nachricht „Danke für die Gastfreundschaft“ („спасибо за гостеприимство“), seinen Namen und das Datum: 2.3.98. Es war Gorbatschows 67. Geburtstag. Bis das Gebäude abgerissen wurde und „Dirks Fahrschule“ die Straßenseite wechselte, habe er diese Stelle gehegt und gepflegt, erzählt Doberenz. „Schließlich war Gorbi mein Held.“

 

Auch sonst erinnert sich der 55-jährige Unternehmer gern an die, wie er sagt, „wilde Zeit in Hellersdorf“ zurück. Heute erlebt er wieder verrückte Zeiten und doch ist alles anders. Am 10. Januar hat Corona Berlins Fahrschulen zum zweiten Mal seit Beginn der Krise lahmgelegt. Dass der Lockdown seine Branche erneut getroffen habe, könne er sehr wohl nachvollziehen, merkt Doberenz an: „Die Hygienevorschriften sind im Auto nur schwer einzuhalten.“ Der Abstand zwischen Lehrer und Schüler betrage während einer Fahrstunde vielleicht 50 Zentimeter. Da bestehe trotz FFP2-Maske ein gewisses Risiko. „Es war schon im Frühjahr seltsam, dass wir 14 Tage länger aufhaben durften als die Schulen.“ 

 

Trotzdem ist Doberenz verstimmt. Der Grund für seinen Ärger: das unterschiedliche Vorgehen der Bundesländer beim Umgang mit den Fahrschulen. Denn während in Berlin alles dicht ist, darf in Brandenburg weiter unterrichtet werden. „Ich würde mir da einheitliche Regeln wünschen.“ Gerade in den Randbezirken sei die Situation problematisch, weil Schüler recht unkompliziert wechseln und ihren Führerschein auf der anderen Seite der Landesgrenze machen könnten. Die nächste Fahrschule in Eiche liegt nur wenige hundert Meter entfernt. „Dadurch entsteht ein klarer Wettbewerbsnachteil.“

 

Der Fahrschulinhaber hofft, dass die Infektionszahlen weiter deutlich zurückgehen, damit es auch in Berlin so bald wie möglich unter den erforderlichen Auflagen wieder Theorie- und Praxisunterricht geben kann. Denn allmählich muss Geld in die Kasse kommen. 

2020 verzeichnete die Hellersdorfer Fahrschule Umsatzeinbußen von 25 Prozent. Normalerweise wäre der Januar ein lukrativer Monat gewesen. Der ist komplett weggebrochen. „Im März muss ich wieder im Auto sitzen, ansonsten sieht es düster aus.“ Seine zwei Mitarbeiter sind derzeit in Kurzarbeit. Von einem Rentner, der auf 450-Euro-Basis als Fahrlehrer jobbte, musste sich Dirk Doberenz Ende letzten Jahres schweren Herzens trennen, weil für ihn keine Arbeit mehr da war.