Eine Lobby für „Weiße Einhörner“

Mahlsdorfer Verein setzt sich für autistische Kinder ein

Eine Lobby für „Weiße Einhörner"

 

Der Verein „White Unicorn“ macht sich für die Interessen von Autisten stark, insbesondere den Kindern. Er will ihnen einen besseren Start in das Leben ermöglichen, indem er unter anderem Zugang zum regulären Schulunterricht schafft. Der Verein besteht seit fünf Jahren und ist in Mahlsdorf angesiedelt. 

Eine der treibenden Kräfte des im Februar 2016 gegründeten Vereins ist Geschäftsführerin Stephanie Fuhrmann. Die junge Mutter ist selbst Autistin. Ihr Zuhause am Hultschiner Damm fungiert gleichzeitig als Geschäftsadresse von „White Unicorn“. Zusammen mit anderen Betroffenen, Partnern und Interessierten ist es ihr während der zurückliegenden Jahre gelungen, ein breit gespanntes Netzwerk zu schaffen, um mit vereinten Kräften die gesteckten Ziele anzugehen.

Eines der Hauptanliegen ist es, autistischen Kindern die Teilnahme am regulären Unterricht in Schulen zu ermöglichen, um ihre Startchancen im Leben zu verbessern. Hierzu haben sich europaweit engagierte Eltern zusammengetan. Der Verein hat inzwischen rund 60 Mitglieder. Ein Drittel davon lebt in Berlin, jedes sechste in Marzahn-Hellersdorf. Einige kommen sogar aus Italien und von den Kanarischen Inseln. 

 

„Um die Bedingungen für autistische Kinder zu verbessern, muss zunächst über den Autismus aufgeklärt werden“, erläutert Stephanie Fuhrmann. „Noch immer sind allzu viele simple oder sogar falsche Vorstellungen verbreitet.“ So werde Autismus nach wie vor sehr häufig als eine Form von Behinderung aufgefasst und hauptsächlich mit Defiziten in Verbindung gebracht. In Wirklichkeit sei es aber schlicht eine Form in einem breiten Spektrum menschlicher Existenz. Meist besitzen Autisten auch besondere Fähigkeiten und Talente. Deshalb habe sich der Verein in Anlehnung an die Hauptfigur des Zeichentrickfilms „Das letzte Einhorn“ (1982) die englische Bezeichnung „White Unicorn“ als Namen gegeben. Autistische Kinder seien nämlich genauso selten, verletzlich und wertvoll wie die Fabelwesen.

 

Stephanie Fuhrmann berichtet, dass ein grundlegendes Problem beim Erwachsenwerden die besondere Lärmempfindlichkeit von autistischen Kindern darstellt. Darum ist es ihnen oft nicht möglich, am normalen Schulunterricht teilzunehmen. Übervolle, lärmende Klassen und andere Begleiterscheinungen hindern sie daran. Viele Kids müssen entsprechend zu Hause unterrichtet werden. Dann aber fehlt ausreichender Kontakt zu Gleichaltrigen, der wiederum wichtig wäre, um ihnen ein gleichberechtigtes und erfülltes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. 

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, setzt sich der Verein für die Integration in das reguläre Schulleben ein. Im Februar veröffentlichte „White Unicorn“ eine Broschüre mit dem Titel „Barrieren in der Schule“. Darin wird zusammengefasst, welche Reize für autistische Kinder in der Klasse besonders herausfordernd sind. Unter anderem wird empfohlen, häufige Wechsel von Räumen, zu viel grelles Licht oder störende Töne, Farben und Gerüche zu vermeiden.

 

Weil Sport meist ebenfalls von einem hohen Lärmpegel begleitet wird, ist es für autistische Kinder nicht so leicht, daran teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund organisieren Fuhrmann und ihre Mitstreiter seit 2019 besondere Bewegungsmöglichkeiten im Parkour-Sport. Diese fanden zunächst im Mahlsdorfer Indoor-Park „Jump3000“ statt. Mittlerweile geht es in die Halle des Berliner Turn- und Freizeitsport-Bundes in Schöneberg. Als Trainingsleiter konnte der Parkour-Weltmeister Waldemar Müller gewonnen werden. Auch an Empfehlungen, wie Autisten die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen bis hin zu Olympischen Spielen ermöglicht werden kann, wird gearbeitet. 

 

Für seine Anliegen bekommt der Verein mittlerweile wissenschaftliche Unterstützung von Forschern der Humboldt-Uni und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. 

Der Forensiker Mark Benecke ist seit den letzten Wahlen als stellvertretender Vorsitzender tätig. Er ist überzeugt: „Durch die Zusammenarbeit mit der Forschung, Projekten und Programmen für Kinder kann der Verein echte Fortschritte bewirken.“                     

 

Harald Ritter