Bundestagswahlkampf im Bezirk spannender denn je

Wer kann in Marzahn-Hellersdorf die meisten Erststimmen auf sich vereinigen?

Bundestagswahlkampf spannender denn je

© Ralf Geithe, Adobe Stock
© Ralf Geithe, Adobe Stock

Wir sind im Superwahljahr. Neben einem neuen Landes- und Bezirks­parlament wird im September auch der Bundestag neu gewählt. Noch ist in Marzahn-Hellersdorf davon wenig zu spüren und zu sehen – von einigen Wahlständen auf Plätzen oder an Bahnhöfen mal abgesehen. Die ersten Wahlplakate dürfen laut des Berliner Gesetzes zur Sondernutzung von Straßenland erst Ende Juli aufgehängt und aufgestellt werden. Dann werden auch die Direktkandidaten für den Bundestag uns wieder aus allen Ecken entgegenlächeln und um unser Kreuzchen auf dem Wahlzettel werben.

Die Aufmerksamkeit in den Medien ist schon jetzt auf zwei Gesichter fokussiert, die vielen im Bezirk gut bekannt sind. Das eine gehört Petra Pau (Die Linke, Interview auf Seite 13) und das andere Mario Czaja (CDU, Interview auf Seite 12). Was Wahlkampf im Bezirk angeht, sind beide alte Hasen. Bisher haben sie aber noch nie gegeneinander kandidiert.

 

Pau (57) ist seit 1998 im Bundestag. Seit 2002 erkämpfte sie stets souverän das Direktmandat im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf. Politisch profiliert hat sich die Bundestagsvizepräsidentin deutschlandweit vor allem durch ihren engagierten Kampf gegen Rechtsextremismus. Termine im Bezirk nimmt sie häufig wahr und sucht die Bürgernähe. 

Czaja (45) ist seit 1999 in der Landespolitik unterwegs. Mit Stimmanteilen weit über dem Durchschnitt seiner Partei gewann er seit 2006 mit steigender Tendenz bei den Abgeordnetenhauswahlen das Direktmandat in Mahlsdorf/Kaulsdorf. Im Siedlungsgebiet hat sich der frühere Gesundheits- und Sozialsenator den Ruf verschafft, ein in Bezirksangelegenheiten besonders engagierter Politiker zu sein. 

 

Alle anderen Parteien können als Direktkandidaten für den Bundestag keine vergleichbaren „Schwergewichte“ vorweisen. Thomas Braun (AfD) war zwar in der zu Ende gehenden Legislaturperiode Stadtrat für Bürgerdienste und sogar stellvertretender Bezirksbürgermeister, es ist aber fraglich, wie er sich dadurch den Wählern bekannt gemacht haben sollte. In der BVV wurde mehrfach offen an seinem Engagement und seiner Kompetenz im Amt gezweifelt. Nach wie vor aber sind die Umfragewerte für die AfD im Bezirk gut. 

 

Die SPD hat als Bundestagsdirektkandidaten Enrico Bloch aufs Schild gehoben. Der gelernte Bierbrauer und ehemalige Werbekaufmann ist als Betriebsrat gegenwärtig freigestellt. Er wirbt für sich damit, kein Polit-Profi zu sein. Das gilt auch für Anne Thiel-Klein. Die 33-Jährige tritt für Bündnis 90/Die Grünen an. Sie ist Lehrerin an einem Gymnasium im Bezirk. Für Die PARTEI geht die 63-jährige Finanzbuchhalterin Andrea Schulteisz ins Rennen und die im Bezirk notorisch schwächelnde FDP befindet sich zwar bundesweit im Aufwind, wird aber aus „organisatorischen“ Gründen in Marzahn-Hellersdorf ihren Direktkandidaten erst nach Redaktionsschluss bekanntgeben. 

 

Wer am Ende die Nase vorn hat, hängt weitgehend davon ab, wie der Bundestrend für die Parteien im Wahlkreis durchschlägt. In Marzahn-Hellersdorf dürfte interessant sein, wer Wähler aus der jeweils anderen Klientel – Czaja in den Plattenbauvierteln und Pau in den Einfamilienhausgebieten – in größerem Maße für sich gewinnen kann. Angesichts der ins Rutschen gekommenen Parteienlandschaft bleibt allerdings genügend Spielraum für Überraschungen. Das macht diesen Wahlkampf auch für die Wähler ohne eindeutige Parteipräferenzen spannend.  

 

Harald Ritter