Aktiv trotz Demenz

PR-Artikel: Expertin Katrin Fritz von Home Instead gibt Angehörigen Tipps

Aktiv trotz Demenz

Katrin Fritz holt ein Bild hervor, auf dem zwei durch eine Brücke verbundene Weltkugeln zu sehen sind. Sie zeigt auf einen der beiden Erdbälle und sagt: „Das ist unsere Welt, die der kognitiv Gesunden. Wir können diskutieren, argumentieren, auswerten und vieles mehr. Das andere ist die Welt der Demenzkranken. Sie schaffen es nicht mehr, zu uns zu gelangen, weil ihnen diese Fähigkeiten abhandengekommen sind. Die Brücke ist also eine Einbahnstraße.“ Pflegende, die bereit seien, über die Brücke zu gehen und sich in die andere Welt hineinzubegeben, würden einen ganz wichtigen Schritt hin zu einem guten Umgang mit Demenzkranken machen. 

Und Katrin Fritz muss es wissen. Die Sozialpädagogin und Gerontologin arbeitet schon seit vielen Jahren für den häuslichen Betreuungsdienst „Home Instead“, hat den Service mittlerweile auch in Marzahn-Hellersdorf etabliert und ist mit ihrem Expertenwissen gefragte Referentin. Im Interview gibt sie Angehörigen Tipps zur Aktivierung von Menschen mit Demenz. 

 

Sie bieten regelmäßig kostenlose Workshops für Angehörige an. Das Zwei-Welten-Bild darf bei keinem Termin fehlen, richtig?

Ganz genau. Ich gebe es allen Teilnehmenden als kleinen Ausdruck mit nach Hause. Dort können sie es sich zum Beispiel an den Kühlschrank hängen. Wenn es mal wieder Schwierigkeiten oder aufreibende Situationen gibt, erinnert das Bild daran, sich selbst die Frage zu stellen: Bin ich gerade über die Brücke gegangen oder habe ich krampfhaft versucht, die demente Person in meine Welt zu zerren? 

 

Sie kennen sicher den Spruch: „Wenn du Menschen mit Demenz nicht beschäftigst, beschäftigen sie dich“. Aber was sind geeignete Aktivitäten?

Meine Workshop-Teilnehmenden sind jedes Mal völlig begeistert von der Nestelkiste. Das ist eine mit verschiedenen Gegenständen befüllte Box, die zur Entdeckungstour einlädt. Es gibt darin viel zu sehen, zu fühlen und sogar zu riechen.

 

Was gehört in die Box hinein?

Das mache ich immer ein wenig von der Biografie abhängig. Ein Knäuel Wolle in einer schönen Farbe ist aber immer dabei. Ansonsten kann die Nestelkiste ganz individuell bestückt werden – mit Lego-Steinen für den ehemaligen Bauarbeiter oder Stiften, alten Kreditkarten und einem Geldsäckchen für den Ex-Banker. Muscheln sind auch beliebt und viele Frauen sortieren liebend gern Knöpfe. Das alles regt den Tastsinn an und fördert haptische Erlebnisse.

 

Wird die Nestelkiste der Person einfach vorgesetzt?

Nein, denn dann passiert gar nichts. Wichtig ist auch, nie zu fragen: „Möchtest du?“, sondern einfach selbst mit der Aktivität zu beginnen. Das heißt, ich als Angehörige mache die Kiste auf, nehme ein paar Dinge heraus und fange an, mich damit zu beschäftigen. Früher oder später wird die demenzkranke Person neugierig. Manchmal ist das nur eine Frage von Sekunden, manchmal von Minuten. Wenn ich merke, dass ich die Aufmerksamkeit des anderen habe, reiche ich einen Gegenstand wortlos weiter und Sie werden sehen: Es passiert einfach. 

 

Für welches Stadium der Erkrankung eignet sich diese Art der Beschäftigung?

Für später, wenn nur noch wenig verbale Kommunikation möglich ist. Man muss bei den Aktivitäten wirklich genau darauf achten, dass sich die Menschen nicht veralbert fühlen. Memory zum Beispiel funktioniert in jedem Stadium. Anfangs würde ich ruhig probieren, ob es noch mit 20 Paaren klappt. Später wird dann mit vereinfachten Regeln gespielt: Ein Teil der Karten ist schon aufgedeckt. Die anderen müssen nur noch dazugelegt werden. 

 

Was empfehlen Sie noch?

Es gibt ganz viele Aktivierungsmöglichkeiten. Eine meiner jüngeren Entdeckungen ist die „SingLiesel“. Diese speziell für Demenzkranke entwickelten Bücher spielen auf Knopfdruck bekannte Lieder zum Mitsingen ab. Eine Kundin im fortgeschrittenen Stadium der Demenz, die früher im Chor gesungen hat, sang spontan die zweite Stimme zum Lied. Das sind die besonderen Momente, die mich sehr berühren und zeigen, wie viel eben doch noch in den Menschen steckt, wenn wir sie geduldig und individuell inspirieren.

 

Stimmt es, dass Sie immer einen Luftballon in der Tasche haben? 

So ist es. Ein farbiger Luftballon regt ebenfalls viele verschiedene Sinne an. Man kann ihn aufpusten und sich zuspielen. Er tut nicht weh, darf auch runterfallen und bringt meistens auch Spaß. Humor und Spaß sind immer willkommen. Das ist optimal.

 

Nächste Workshops: 9.9. + 29.9., 16.30-19 Uhr

Ort: Stendaler Straße 75

Teilnahme kostenfrei

Anmeldung: T. 235 925 080 oder per E-Mail:

berlin-marzahnhellersdorf@homeinstead.de