Das Bezirksparlament wird bunter

Kleine Fraktionen könnten bei der Bürgermeisterwahl Zünglein an der Waage werden

Das Bezirksparlament wird bunter

Marzahn-Hellersdorf hat gewählt – wie hier im Wahllokal der Mahlsdorfer Grundschule. © pressefoto-uhlemann.de
Marzahn-Hellersdorf hat gewählt – wie hier im Wahllokal der Mahlsdorfer Grundschule. © pressefoto-uhlemann.de

Während die CDU in Bund und im Land ihre Niederlagen nicht kaschieren kann, sieht man in Marzahn-Hellersdorf nur lachende Gesichter. Die Wählerinnen und Wähler haben die Partei im Bezirk zur stärksten politischen Kraft gemacht. 

Hängende Köpfe dagegen bei der Linken: Kein Direktmandat mehr für den Bundestag und nur noch eine direkt gewählte Kandidatin im Abgeordnetenhaus. Hinzu kommt, dass die Partei ihre dominante Machtposition in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und damit auch im Bezirksamt verloren hat. Denn Platz drei hinter der SPD bedeutet: Die Linke muss einen ihrer zwei Stadtratsposten abtreten. Über Stimmenzugewinne und den Einzug ins Bezirksparlament freuen sich hingegen Grüne, FDP und Tierschutzpartei. Die AfD erleidet analog zu den Wahlergebnissen auf Bundes- und Landesebene eine ziemliche Schlappe.

 

Bundestagswahl: Duell zwischen Czaja und Pau ging überraschend deutlich aus

Mario Czaja hat es geschafft: Mit 29,4 Prozent der Erststimmen im Bezirk konnte er die langjährige Mandatsinhaberin Petra Pau (21,9 Prozent) von der Linken beim Rennen um den direkten Einzug in den Bundestag abhängen. Der Kreisvorsitzende der CDU Wuhletal hat es damit auch der Berliner CDU gezeigt, die ihm zuvor einen sicheren Platz auf der Landesliste für den Bund verweigert hatte. Mit einer sowohl geschickten als auch finanziell aufwendigen Wahlkampagne gelang es Czaja, sich als „Kiezkümmerer“ darzustellen und am Ende bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten. Pau, die ihren Wahlkreis fünfmal in Folge gewonnen hatte, zieht über die Landesliste ihrer Partei ebenfalls in den Bundestag ein.

 

Abgeordnetenhaus-Wahl: 3 Direktmandate für die CDU

Einen ähnlichen Ton wie der selbst ernannte „Kiezkümmerer“ Czaja schlugen auch die CDU-Kandidierenden für das Abgeordnetenhaus an. Mit Christian Gräff (35,5 Prozent) in Biesdorf, Katharina Günther-Wünsch (33,7 Prozent) in Mahlsdorf/Kaulsdorf und Alexander J. Herrmann (27,9 Prozent) in Hellersdorf-Süd/Kaulsdorf-Nord verwiesen gleich zwei Vertreter und eine Vertreterin der Union ihre Konkurrenten auf die Plätze.

Die einzige Kandidatin der Linken, die ihr Direktmandat für das Abgeordnetenhaus mit 24,1 Prozent der Stimmen verteidigen konnte, ist Dr. Manuela Schmidt in Marzahn-Mitte. Gunnar Lindemann (22,6 Prozent) in Marzahn-NordWest und Jeannette Auricht (22 Prozent) in Hellersdorf-Nord gelang es, unter Stimmenverlusten die Direktmandate für die AfD zu halten. 

 

BVV-Wahl: CDU vor SPD, Linken, AfD und Grünen

Die wohl spannendste Frage gut eine Woche nach den Wahlen lautet nun: Wer tritt die Nachfolge von Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) an? Um ihr Amt hatten sich gleich drei Mitglieder aus dem Bezirksamtskollegium beworben: Parteigenossin Juliane Witt, Gordon Lemm von der SPD und Nadja Zivkovic von der CDU. Es wurde ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende hatte die CDU mit 20,8 Prozent die Nase vorn. Es folgte knapp dahinter die SPD, für deren Kandidierendenliste im Bezirk 20,3 Prozent der Wähler stimmten. Die Linke kam auf 19,9 Prozent und muss sich entsprechend mit Platz drei begnügen. Sie verlor 6,1 Prozent der Stimmenanteile und damit fast genauso viel wie die viertplatzierte AfD, die bei 16,9 Prozent landete (2016: 23,2 Prozent). 

 

Aufgrund ihres Spitzenplatzes hat die CDU erstmals das Vorschlagsrecht für den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin. Nadja Zivkovic konnte es am Wahlabend kaum glauben: „Auf unserer Wahlparty lag der Fokus anfangs stark auf Mario und den Direktkandidaten für das Abgeordnetenhaus. Ich musste schon einige Male daran erinnern, auch mal auf den Zwischenstand bei der BVV-Wahl umzuschalten“, lacht die 42-Jährige. Dass es zur stärksten Kraft reichen könnte, habe sie erst gegen 1 Uhr realisiert. „Es ist der Idealfall eingetreten. Wir haben auf allen Ebenen hervorragende Ergebnisse erzielt. Das war so nicht zu erwarten.“ Nach möglichen Gründen für das erfolgreiche Abschneiden befragt, sagt Zivkovic: „Ich glaube, die Leute nehmen schon wahr, dass wir uns wirklich sehr kleinteilig um ihre Alltagsprobleme kümmern.“

 

 

Kampf ums Rathaus hat begonnen

Das Amt der Bürgermeisterin hat die derzeitige Stadträtin für Wirtschaft, Straßen und Grünflächen aber alles andere als sicher. Denn auch die SPD rechnet sich Chancen aus, ihren Spitzenkandidaten Gordon Lemm auf den Posten zu hieven. Der 44-Jährige ist mit dem Wahlergebnis seiner Partei und einem Zuwachs von zwei Prozentpunkten im Vergleich zur letzten BVV-Wahl ebenfalls zufrieden. Dass die SPD zwei Stadtratsposten erobern könnte, hatten weder Demoskopen noch die Partei erwartet. „Es war und ist eine Wundertüte“, sagt Lemm. Von Mutmaßungen, was die Wählerinnen und Wähler zu ihrer Entscheidung bewogen haben könnte, halte er nicht viel, merkt der Stadtrat für Schule, Sport, Jugend und Familie an. „Aber wenn es irgendetwas damit zu tun hätte, was wir hier im Bezirk in den letzten fünf Jahren insbesondere in der Bildungs- und Familienpolitik angeschoben haben, wäre das natürlich großartig.“

 

Ebenso wie die CDU wird auch die SPD in diesen Tagen mit den anderen in der BVV vertretenen Parteien außer der AfD Sondierungsgespräche führen. Ziel ist die Bildung einer Zählgemeinschaft. Diese ist zwar nicht verpflichtend, wäre aber bei der Wahl des Bezirksbürgermeisters oder der Bezirksbürgermeisterin von Vorteil. Die SPD hat damit sogar schon Erfahrung: 2011 schmiedeten die damals hinter den Linken zweitplatzierten Sozialdemokraten gemeinsam mit CDU und Grünen ein Bündnis, um Stefan Komoß anstelle von Dagmar Pohle zum Rathauschef zu machen. Die Rechnung ging auf. 

 

Nadja Zivkovic sieht den Kampf ums Amt sportlich: „Wenn sich die Möglichkeit bietet, würde das doch jede Partei versuchen“, sagt sie. Trotzdem wünschte sie sich zunächst Gespräche mit der SPD: „Wir beide haben einfach die meisten Stimmen in der BVV und es wäre durchaus sinnig, sich da mal zu unterhalten.“ Feststeht: Bei den Sitzen in der BVV herrscht Gleichstand: 12 zu 12. Mindestens 28 von 55 Stimmen brauchen Zivkovic und Lemm für den Einzug ins Rathaus. Die Stimmen von Linken und Grünen reichen beiden nicht aus. Zum Zünglein an der Waage könnten also FDP und/oder Tierschutzpartei werden. Es bleibt spannend. Am 4. November soll sich die BVV konstituieren. In der darauffolgenden Sitzung, möglicherweise schon am 11. November, wird dann das neue Bezirksamt gewählt.     

 

So hat Marzahn-Hellersdorf gewählt: Bundestag, Abgeordnetenhaus, BVV

                   

Harald Ritter/CD