CDU über Ausgrenzung im Bezirk empört

SPD, Linke und Grüne schmieden gemeinsames Bündnis

CDU über Ausgrenzung im Bezirk empört

Die CDU konnte in Marzahn-Hellersdorf auf allen Ebenen Wahlerfolge verbuchen: Ihr Kreisvorsitzender Mario Czaja löste das Ticket in den Bundestag und gleich drei Kandidaten (Christian Gräff, Alexander J. Herrmann, Katharina Günther-Wünsch) gelang der direkte Einzug ins Abgeordnetenhaus. Auch bei der BVV-Wahl verzeichnete die Partei einen erheblichen Zugewinn von 3,5 Prozentpunkten und wurde knapp stärkste Kraft. Doch Freude darüber will sich nicht recht einstellen, denn die Aussichten auf das Bürgermeisteramt und weitere attraktive Posten im Bezirk schwinden. 

Zählgemeinschaftsverhandlungen gestartet

SPD, Linke und Bündnis‘ 90/Die Grünen tüfteln nämlich mit Hochdruck an der Bildung „eines fortschrittlichen Bündnisses für soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung“, wie es in einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung heißt. Auch mit der Tierschutzpartei und der FDP seien gute Gespräche geführt worden. „Beide Parteien sind dazu eingeladen, in einer echten Kooperation den Bezirk mit uns gemeinsam zu gestalten“, schreiben die Vorsitzenden Iris Spranger (SPD), Kristian Ronneburg (Linke) sowie Julia Scharf und Pascal Grothe (Grüne). Für die Mehrheit in der BVV würden die Stimmen eines weiteren Verbündeten genügen. 

 

Verständigung über Ämter und Ressorts ohne die CDU

Bei der CDU ist die Empörung groß. In einer ebenfalls am Montag verschickten Mitteilung an die Presse, kritisiert CDU-Kreischef Mario Czaja, dass das künftige Bündnis die zu vergebenen Posten im Bezirk unter sich aufteilen wolle, ohne die CDU einzubeziehen. So soll das Amt des Bezirksbürgermeisters an die SPD mit ihrem bisherigen Stadtrat Gordon Lemm gehen und der BVV-Vorsteher von der Linken gestellt werden. Die Partei hatte auf ihrer Hauptversammlung am Sonntag den Verordneten Steffen Ostehr zu ihrem Kandidaten ernannt. Für die Grünen ist der Stuhl des stellvertretenden BVV-Vorstehers vorgesehen. Die CDU ginge leer aus. 

 

Auch eine Verständigung zur Ressortverteilung in der Bezirksverwaltung soll es mit den Wahlsiegern nicht geben. Entsprechend der Stimmenverteilung dürfen CDU und SPD zwei Stadträte, Linke und AfD je einen stellen. Dabei liebäugelt die Linke mit dem begehrten Stadtentwicklungsamt, wie Kristian Ronneburg deutlich macht: „Mit Juliane Witt als Bezirksstadträtin werden wir den Fokus auf eine ökologische Stadtentwicklung setzen, die Neubau ermöglicht, aber Grünanlagen und den Charakter des Bezirks erhält“, so Ronneburg.

 

2011 wiederholt sich – allerdings mit anderen Farben

Man fühle sich von „linken Ideologen ausgegrenzt“ und am „klaren Gestaltungsauftrag gehindert“, schreiben Mario Czaja und der neue CDU-Fraktionsvorsitzende in der BVV, Johannes Martin. Sie werfen SPD und Linken vor, mit dem geplanten „Linksbündnis“ gegen eine seit vielen Jahren im Bezirk gelebte demokratische Regel zu verstoßen, die da laute: „dass die drei größten Parteien ideologiefrei und pragmatisch an einem Strang ziehen, um für die Menschen wichtige Projekte zu realisieren.“

Dabei scheint der CDU allerdings entfallen zu sein, dass auch sie im Bezirk 2011 als damals drittstärkste Kraft mit SPD und Grünen eine Zählgemeinschaft einging, um Dagmar Pohle (Linke) als Bezirksbürgermeisterin zu verhindern, Stefan Komoß (SPD) auf den Rathausstuhl zu hieven und Kathrin Henkel (CDU) zur BVV-Vorsteherin zu machen. Bis dato war es parlamentarischer Brauch, zumindest letzteres Amt der stärksten Fraktion zu überlassen, was seinerzeit klar die Linke (31,2 %), vor SPD (26,4 %) und CDU (17,3 %) war.

 

Diesmal geht es in der BVV deutlich enger zu: CDU (20,8 %) und SPD (20,3 %) kommen auf die gleiche Anzahl von Sitzen – und zwar zwölf. Mindestens 28 Stimmen werden für eine Mehrheit benötigt. Die Linke (19,9 %) erhält elf Mandate, die AfD (16,9 %) zehn, Grüne (6,9 %) vier, FDP (5,3 %) sowie Tierschutzpartei (5,0 %) je drei. 

„Als eine der stimmstärksten Kräfte in der künftigen BVV sehen wir den Auftrag, Verhandlungen für ein starkes Bündnis mit einem Bürgermeister Gordon Lemm zu führen“, sagt Iris Spranger. Als künftige Herausforderungen benennen SPD, Linke und Grüne sowohl die verträgliche Gestaltung des Wohnungsneubaus, „um die Lebensqualität vor Ort zu erhalten“ als auch den Ausbau sicherer Fußwege, attraktiver Radwege und neuer ÖPNV-Angebote. Außerdem sollen Schulplätze schneller geschaffen und der Klimaschutz ernstgenommen werden. 

 

CDU kritisiert: Wählervotum werde ignoriert

Czaja und Martin hingegen sehen im angekündigten Bündnis eine rein „ideologisch geprägte Missachtung der zigtausenden Wähler, die die CDU in Marzahn-Hellersdorf in Verantwortung sehen wollen“. Und sie vermuten dahinter zusätzlich ein Kalkül von Rot-Grün-Rot auf Landesebene: „Es ist offensichtlich, dass in den Hinterzimmern des Roten Rathauses dieser Deal mit vereinbart wurde, um die Linkskoalition im Land zu installieren und Projekte wie die in der Innenstadt erdachte Enteignungspolitik und Verkehrswende auch am Stadtrand durchzudrücken“, so der Vorwurf.

Am Ende ihrer Pressemitteilung aber schlägt die Partei versöhnliche Töne an: Die CDU sei unverändert offen für faire Gespräche „im Sinne einer am Wohl der Menschen orientierten Politik der Pragmatismus. Diese habe in den zurückliegenden Jahren oft zu konkreten Verbesserungen in den Kiezen geführt.

 

Die Grünen in Marzahn-Hellersdorf sehen das etwas anders: Ob Verkehrswende, Klimaschutz, ganzheitliche Stadtentwicklung oder Gleichstellungsfragen. All das sei in den letzten Jahren von den Verantwortlichen im Bezirk blockiert, verhindert oder ungenügend bearbeitet worden. „In einem Bündnis neuer Mehrheiten sehen wir die Chance für einen Aufbruch, erkennen wir den Mut, Neues anzupacken“, erklären Julia Scharf und Pascal Grothe.