Oleg Peters feilt seit zehn Jahren am Image des Bezirks

Standortmarketing in Marzahn-Hellersdorf

Oleg Peters feilt seit zehn Jahren am Image des Bezirks

Nach einer Ausschreibung der bezirklichen Wirtschaftsförderung ist Dr. Oleg Peters (60) im Jahr 2012 angetreten, um als Standortmarketing-Leiter das Image von Marzahn-Hellersdorf aufzupolieren. Weit über zwei Millionen Euro aus dem GRW-Regionalbudget („Gemeinschaftsaufgabe – Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) sind im Rahmen dieses Projekts bis heute für Marketingmaßnahmen in den Bezirk geflossen. Es wurden Veranstaltungen wie das Classic Open-Air in Helle Mitte oder „Viva Balkonia“ auf die Beine gestellt, Plakatkampagnen wie „Made in Marzahn-Hellersdorf“ gestartet, Ausstellungen konzipiert und verschiedene Publikationen herausgebracht. Anlässlich des bevorstehenden Jubiläums blicken wir mit dem in Biesdorf aufgewachsenen „Bezirksvermarkter“ auf seine Tätigkeit zurück.

■  Um die Außenwahrnehmung von Marzahn-Hellersdorf war es nach der Wende nicht gut bestellt. Inzwischen hat sich das Bild wieder gewandelt. Was sorgte seit Bestehen des Standortmarketings eigentlich für den größten Imageschub, Herr Dr. Peters?

Aus meiner Sicht war 2017 das große Gewinner-Jahr. Mit der Ausrichtung der Internationalen Gartenausstellung konnte sich Marzahn-Hellersdorf als gastfreundlicher, lebenswerter und grüner Bezirk präsentieren. Es sind neue touristische Magnete wie der Wolkenhain und die Seilbahn entstanden. Flankiert wurde das Gartenfestival von unserem Standortmarketing mit verschiedenen Kampagnen und Aktionen. Bei zahlreichen Besucherinnen und Besuchern, die uns bis dahin nur vom Hörensagen kannten, hinterließ diese Charme-Offensive gepaart mit dem umfangreichen IGA-Programm mächtig Eindruck. Davon profitiert der Bezirk bis heute. 

 

■  Immer mehr Menschen befürchten nun aber, Marzahn-Hellersdorf könnte trotz Gärten der Welt und Kienberg sein Prädikat als grüner Bezirk verlieren. Grund ist der rege Wohnungsneubau im Bezirk. Teilen Sie diese Auffassung?

Ich stimme nicht in den Chor derer ein, die meinen, hier werde jetzt alles zubetoniert. Tatsache ist: Alle Grundstücke, auf denen in der letzten Legislaturperiode Bauvorhaben umgesetzt wurden, sind im Wohnungsmarktentwicklungskonzept ausgewiesen und damit schon seit Jahren als Potenzialflächen bekannt. Natürlich kann man über die städtebauliche Qualität einiger Projekte diskutieren oder was noch wichtiger ist: über die Frage des Ausbaus der sozialen Infrastruktur. Dafür haben wir als Standortmarketing übrigens immer auch Plattformen geboten – zuletzt mit der Stadtentwicklungskonferenz im August. Aber gerade jene Leute, die jetzt häufig als Meckerer und Mahner in Erscheinung treten, habe ich beim fachlichen Austausch auf diesen Veranstaltungen ehrlich gesagt vermisst. 

 

■  Was macht für Sie neben dem grünen Charakter den Reiz unseres Bezirks aus?

Als Historiker finde ich den Kon­trast zwischen dem historisch gewachsenen Siedlungsgebiet und der modernen Großsiedlung total spannend. Mich nervt das ewige Plattenbau-Bashing und ganz schlimm finde ich es, wenn die Kieze gegeneinander ausgespielt werden. Ich bin selbst in Biesdorf aufgewachsen. Berührungsängste mit den anderen Ortsteilen gab es für mich aber nie. Im Gegenteil: Ich habe vor dem Studium auf der Großbaustelle Marzahn malocht und später mehrfach in Plattenbauwohnungen gewohnt. 

 

■  Sie sind dem Bezirk sehr eng verbunden. Hat Sie das für den Job des obersten Marzahn-Hellersdorfer Image-Aufwerters prädestiniert?

Da ich Bauhistoriker bin und kein ausgewiesener Marketing-Experte, ist mein besonderes Verhältnis zum Bezirk sicherlich das große Pfund, mit dem ich wuchern kann. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass du nur mit Leuten, die wirklich für den Bezirk brennen, dauerhaft etwas bewegen kannst. Auf der Verwaltungsebene waren das über all die Jahre bei der Wirtschaftsförderung vor allem deren Leiterin Kathrin Rüdiger und Ansgar Tesch. Die Vernetzung mit Akteurinnen und Akteuren aus anderen Fachbereichen, die auch für den Bezirk werben, führte zu vielen gemeinsamen Aktionen. Da würde ich Gabi Kokel aus dem Jugendamt, die Chefin der Musikschule Yvonne Moser und die Leiterin der bezirklichen Städtebauförderung Sabine Antony stellvertretend nennen.

 

■  Sie sprechen in der Vergangenheit, weil die Zeichen auf Abschied stehen. Warum wollen Sie im nächsten Jahr als Standortmarketing-Leiter aufhören?

Einerseits endet das inzwischen dritte Projekt im Januar 2022. Anderseits sagt mein Gefühl mir, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, nicht mehr an vorderster Front zu kämpfen. Sofern es gefragt ist, bin ich aber gern beratend tätig und unterstütze punktuell. Ich freue mich darauf, künftig mehr Zeit mit meiner Familie, zu der inzwischen schon drei Enkelkinder gehören, verbringen zu können und beruflich verstärkt meiner eigentlichen Profession als Denkmalschutzgutachter nachzugehen – zurück zu den Wurzeln also.

 

■  Bedeutet das auch das Aus für das Standortmarketing?

Nein. Die Wirtschaftsförderung hat auch schon vor meiner Zeit aktiv das Image des Bezirks aufpoliert. Es war ein großes Glück, dass das Standortmarketing keine Eintagsfliege gewesen ist, sondern seit 2012 kontinuierlich betrieben werden konnte. Die Wirtschaftsförderung hat immer wieder Wege gefunden, Fördermittel dafür in den Bezirk zu holen. Ich bin mir sicher,  dass dies in anderer Form auch für weitere Jahre gelingen wird. Zumal die Wirtschaftsförderung nun erstmalig beim Bezirksbürgermeister angesiedelt ist. Ich knüpfe daran die Hoffnung, dass das Standortmarketing von den Bezirksamtsmitgliedern von nun an noch stärker als zentrales Anliegen und ressortübergreifendes Instrument begriffen wird.

 

■  Welche Marketingmaßnahmen der letzten zehn Jahre waren Ihre persönlichen Highlights?

Meine Lieblingsaktionen waren immer die, die noch niemand vor uns in Berlin gemacht hat. Das ging 2014 mit dem Informations- und Erlebnisstore in den Potsdamer Platz Arkaden los und reicht bis zur „Bilderbahn“, die aktuell auf der U-Bahnlinie 5 im Marzahn-Hellersdorf-Look durch die Stadt rollt. Unvergessen bleibt für mich auch der Musiktruck „Viva Balkonia“. Den haben wir 2020 im ersten Lockdown auf die Straße geschickt. Die Resonanz war überwältigend. Tausende Menschen haben das Spektakel an den Fenstern und auf ihren Balkonen verfolgt. Weltweit wurde darüber im Fernsehen berichtet. 

 

■  Im Rahmen des Projekts sind etliche Publikationen entstanden. Für die meisten haben Sie selbst in die Tasten gehauen. 

Stimmt. Es gehört natürlich nicht zu den originären Aufgaben eines Projektleiters, die Broschüren und Bücher selbst zu schreiben. Aber es lag einfach nahe, weil ich auf eine große Materialsammlung über Marzahn-Hellersdorf zurückgreifen kann. Ein nicht unerheblicher Teil davon stammt aus dem Fundus meines verstorbenen Vaters (Anm. d. Red.: Dr. Günter Peters war Stadtbaudirektor von Ost-Berlin und erster „Aufbauleiter“ von Marzahn). Im Laufe der Jahre hat sich das Standortmarketing zu einem kleinen Verlag entwickelt. Wenn ich alle Druckerzeugnisse zusammenrechne, kommen wir bestimmt auf eine Auflage von rund 40.000 Exemplaren. Berlinweit einmalig ist beispielsweise unsere Stadtführer-Reihe.

 

■  Gibt es Projekte, die Sie gern noch umgesetzt hätten?

Wir haben im Sommer 2020 das Buch „erdacht & gemacht in Marzahn-Hellersdorf“ herausgebracht und darin kluge Köpfe vorgestellt, die hier einst wirkten – Wilhelm von Siemens zum Beispiel oder Franz Carl Achard. Es soll noch einen zweiten Teil geben, in dem die jüngere Vergangenheit und das Hier und Jetzt beleuchtet werden. Denn nach wie vor sind im Bezirk etliche innovative Menschen und Unternehmen unterwegs, die es vorzustellen lohnt.

Außerdem hatte ich mir vorgenommen, eine fundierte Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen bis heute zu Papier zu bringen. Die Idee dahinter ist, ein für alle Mal mit dem Klischee von der Schlafstadt aufzuräumen. Marzahn-Hellersdorf war und ist ein Wirtschaftsstandort, der viele Geschichten zu erzählen hat, die von überregionalem Interesse sind.