Das Bezirksamt ist auf den Hund gekommen

Beschäftigte dürfen ihre Vierbeiner ab sofort mit auf Arbeit nehmen

Das Bezirksamt ist auf den Hund gekommen

Auf dem Schreibtisch von Madeleine Rieger steht eine große Box mit Leckerlis. Immer wieder öffnet sie den Deckel, greift hinein und hält eine Handvoll Knabberzeug vor die schnuppernde Nase ihres Lieblings. „Normalerweise bekommt er nicht so viel, aber ich muss ihn ein bisschen bestechen, weil alles so aufregend ist“, sagt die 35-Jährige. Zum ersten Mal darf der Berner Sennenhund heute seine Besitzerin zur Arbeit ins Rathaus Marzahn-Hellersdorf begleiten. Seit Ende Mai erlaubt das Bezirks­amt in den allermeisten Dienststellen die tierischen Kollegen auf vier Pfoten und nimmt damit eine Vorreiterrolle in Berlin ein.

Warum Bello gut für die Gesundheit ist

Zur Premiere bringt Madeleine Rieger ihren anderthalb Jahre alten Rüden nur für wenige Stunden mit. Sie will erst einmal schauen, ob es ihm im Büro überhaupt gefällt. „Wir tasten uns langsam heran. Wenn das Umfeld positiv reagiert, er auch den zweiten Probetag gut meistert und nicht ständig um Aufmerksamkeit bellt, könnte ich mir pro Woche einen Bürotag mit ihm vorstellen.“ Sorge, ihr tierischer Gefährte könnte sie von der Arbeit ablenken, hat die Referentin des Bezirksbürgermeisters nicht. „Grundsätzlich ist mein Hund ziemlich faul.“ Klar müsse er auch mal vor die Tür, aber dann sei sie wenigstens gezwungen, ab und an eine kleine Bildschirmpause einzulegen und frische Luft zu schnappen, was sich erwiesenermaßen positiv auf die Psyche auswirkt und das Burnout-Risiko mindert. 

Überhaupt sprechen einige gesundheitliche Aspekte für die Mitnahme von Bürohunden. Mehrere Studien legen nahe, dass die Anwesenheit der Tiere zur Senkung des Stresslevels beitragen kann. Ein Grund: Durch den Kontakt mit Hunden wird bei Menschen das Kuschelhormon Oxytocin freigesetzt. Das entspannt und sorgt für die Ausschüttung von Glückshormonen. Demnach dürften Personen, die im Umfeld von Hunden arbeiten, ausgeglichener, leistungsfähiger, motivierter und engagierter sein.

 

Kampf um Fachkräfte: Bürohund als Recruiting-Vorteil

„Ein moderner Arbeitgeber sollte diese Möglichkeit inzwischen anbieten“, findet Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD). Auch fürs Personalrecruiting könnte der gewährte Angestellten-Benefit etwas bringen. Madeleine Rieger jedenfalls hatte beim Vorstellungsgespräch im letzten Sommer ihren potenziellen Chef gleich gefragt, wie dessen Einstellung zu Bürohunden sei. „Er war von Anfang an total offen dafür“, erinnert sie sich. Ungefähr zur gleichen Zeit stellte die CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung den Antrag, Beschäftigten der Bezirksverwaltung die Mitnahme von Hunden zu ermöglichen. Die BVV stimmte dafür. Das Bezirksamt fasste einen entsprechenden Beschluss und handelte schließlich mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung aus. 

 

Regeln für den tierischen Arbeitsalltag  

Das Zehn-Seiten-Papier ist quasi das Regelwerk für die auf zwei Jahre angelegte Pilotphase. Vorgeschrieben ist darin unter anderem, dass Bürohunde mindestens sechs Monate alt, geimpft und versichert sein müssen. Nicht am Arbeitsplatz gestattet sind sogenannte Listenhunde, deren Rasse vom Land Berlin als gefährlich eingestuft wird. 

Auch können Beschäftigte ihre „Fellnasen“ nicht einfach so mitbringen. Vorher muss die Erlaubnis von dem oder der Vorgesetzten eingeholt und auch das restliche Team in die Entscheidung eingebunden werden. Reagiert im Büro jemand allergisch auf Hundehaare oder hat schlichtweg Angst, haben die tierischen Kollegen das Nachsehen. Zu den No-Go-Areas zählen Teeküchen, Toiletten, Archive, Kantinen-, Server- und Lagerräume. Auch Arbeitsplätze mit Kundenverkehr sind tabu.

 

Einmal pro Woche Rathaus statt Hundekita

Madeleine Rieger hat für die Mitnahme ihres Berner Sennenhundes grünes Licht vom Bezirksbürgermeister und den Kolleginnen und Kollegen bekommen. Sie ist optimistisch, dass sich der Hund im Büro künftig „pudelwohl“ fühlen wird. Für ihren Lebensgefährten und sie wäre das eine echte Erleichterung. Die beiden betreiben gehörigen Koordinierungsaufwand, um die Betreuung ihres Haustieres abzusichern. Zweimal pro Woche ist ihr Partner im Homeoffice und kann sich um den Vierbeiner kümmern. Einen Tag arbeitet sie selbst von zu Hause.  An den anderen Tagen geht es in die Hundekita oder es wird mit Früh- und Spätschichten jongliert. „Er kann auch mal für mehrere Stunden allein sein, aber natürlich macht man sich dann schon so seine Gedanken und versucht, die Abwesenheit möglichst kurz zu halten.“ Sitzt ihr geliebtes Haustier hingegen im Büro unterm Schreibtisch, kann Madeleine Rieger beruhigt ihrer Arbeit nachgehen und muss nicht gleich nervös werden, wenn sie es mal wieder nicht ganz schafft, pünktlich Feierabend zu machen.