Verlorene Orte: Kaufhallen und Dienstleistungsgebäude

Neues von gestern – Bezirksgeschichte(n) 

Verlorene Orte: Kaufhallen und Dienstleistungsgebäude

Nicht vieles aus dem DDR-Wortschatz hat es in die heutige Zeit geschafft – „Kaufhalle“ gehört zu den wenigen Ausnahmen. Doch nicht nur der Begriff hat die Wende überlebt. Vereinzelt gibt es auch die Bauten noch. Gleiches gilt für die äußerlich etwas veränderten „Dienstleistungswürfel“.

Bereits am 28. April 1977 – noch vor Übergabe des ersten Wohnblocks in Marzahn – eröffnete in der Marchwitzastraße die erste Konsum-Kaufhalle für die Bauarbeiterversorgung. Acht Monate später konnten an der Südspitze dann auch die Kiezbewohnerinnen und -bewohner einkaufen. Nach 44 Jahren wurde das Gebäude im vergangenen Jahr abgerissen. 

 

In den ersten Jahren kamen Kaufhallen mit einer Verkaufsfläche von 1.200 m² zur Ausführung. Ab den 1980er Jahren wurde bei dem „Wiederverwendungsprojekt“ die Fläche auf 1.500 m² erhöht. In Marzahn lieferten Architekten wie Roland Steiger, Fritz Kalusche und Achim Wolff die Pläne für die Bauten. In Hellersdorf lag die Verantwortung für die Errichtung dieser Versorgungseinrichtungen bei dem jeweiligen für das Baugebiet zuständigen DDR-Bezirken.

 

Rechteckig, praktisch, gut

Bei den Kaufhallen handelte es sich um eingeschossige Skelettbauten mit Fertigteilstützen, -riegeln und -deckenplatten. Auffällig war die trapezförmige Spannbetondachkonstruktion, im Fachjargon VT-Falte genannt. Als wichtige Nahversorger mit Selbstbedienung funktionierten sie ähnlich wie die heutigen Supermärkte. Einziger Unterschied: Das Sortiment an Waren entsprach der aktuellen Versorgungslage. Die Kaufhalle war eine werbefreie Zone mit stabilen Preisen – ohne Musikbeschallung, ohne Sonderangebote, Tiefstpreise und Super-Knüller. In den Regalen standen überwiegend Lebensmittel und sogenannte Waren täglicher Bedarf (WtB) wie Drogerieartikel und Reinigungsmittel. Hin und wieder hatte sich eine Dose Ananas zwischen Bautz‘ner Senf und Spreewälder Gurken verirrt. Das Angebot war ziemlich übersichtlich. 

 

Hellersdorf als Frische-Vorreiter

Die erste Berliner Kaufhallenbäckerei nahm am 29. Mai 1985 ihre Arbeit auf. Als Anbau der Kaufhalle Hellersdorfer Straße in Kaulsdorf-Nord war sie innerhalb von neun Monaten von Bauleuten des WBK Rostock fertiggestellt worden. Zehn Mitarbeiter sorgten in zwei Schichten dafür, dass täglich ab 6 Uhr knuspriges Weißgebäck wie Schrippen und Kipfel verkauft werden konnten. Alle zwei Stunden kam Nachschub aus dem Ofen.

Nach der Wende übernahmen Lebensmittelriesen wie Kaiser’s, Tengelmann und Reichelt, schließlich Edeka und Rewe die DDR-Standardbauten, die in ihrer ursprünglichen Gestalt nach und nach aus dem Bezirksbild verschwanden.

 

 

Die Würfel sind fast gefallen

Dienstleistungswürfel waren zweigeschossige Gebäude mit quadratischer Fläche von rund 1.000 m². Neben Post, Friseur, Blumenladen und einer Annahmestelle für hauswirtschaftliche Dienstleistungen war dort immer auch ein Jugendklub untergebracht. Oft öffneten sich die Dienstleistungsgebäude zu einem Platz hin und verfügten über große Fensterflächen im Erdgeschoss, ein umlaufendes Fensterband im Obergeschoss und einen vorgelagerten Umgang mit kräftig ausgearbeiteter Treppe. 

Der erste Dienstleistungswürfel wurde im März 1979 am Murtzaner Ring fertiggestellt. Mit 13 solcher Komplexe nahm Marzahn berlinweit die Spitzenreiterposition ein. Hellersdorf hatte nur drei solcher Einrichtungen. Die „Quadrate von einst“ wurden zum Teil saniert und in moderne Ensembles integriert.

 

Jugendklub wurde Kulturhaus

Alles in allem sind zwischen 1977 und 1992 in den Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf  34 Kaufhallen und 16 Dienstleistungswürfel mit einem Gesamtaufwand von 175 Millionen Mark der DDR gebaut worden. 

Übrigens: Kurz vor dem Mauerfall entwickelte ein Jugendforscherkollektiv des Wohnungsbaukombinates Berlin um Wolfgang Lampe ein eingeschossiges, von den Dienstleistungswürfeln losgelöstes Jugendklubgebäude. Die in zwei unterschiedlich hohe Baukörper gegliederte Einrichtung mit 210 Plätzen wurde erst 1992 fertiggestellt. Heute kennen wir das Haus in der Carola-Neher-Straße 1 als Kulturforum Hellersdorf. 


Ostprodukte:

Kennen Sie die noch?

 

Die Kaufhallen als wichtiger Infrastrukturteil der Großsiedlung wurden zu ihrer Bauzeit von der staatlichen Handelsorganisation, kurz HO (als Volkseigentum), oder der Konsumgenossenschaft (als genossenschaftliches Eigentum) betrieben. Erinnern Sie sich an altbekannte Klassiker in den Verkaufsregalen? Viele dieser Produkte gibt es immer noch oder inzwischen wieder. Vor allem im Internet leben sie weiter. „Die Kaufhalle des Ostens“ führt über 3.000 Ostprodukte, verrät der Computer. Auf www.kaufhalle-des ostens.de ist Typisches aus der DDR und alles rund um das Thema Ostalgie zu finden: egal ob Pittiplatsch, Wurzener Waffelblättchen, Zetti-Bambina, Vollmilchbutter mit Karamell oder Einkaufsnetz. Alle bekannten Ostmarken wie Badusan, Rotstern, Zetti und Halloren sind vertreten.



Der Bauhistoriker Dr. Oleg Peters schaut in den „Rückspiegel“ und gibt in dieser neuen Serie der „Hellersdorfer“ Einblicke in wenig Bekanntes aus den Anfangsjahren des Bezirks. Er stellt damalige Akteure im Porträt vor und die historischen Hintergründe dar.