Zukunftsaufgabe: Bezirksgrün stärken

Parteien fordern 1.000-Bäume-Programm für Marzahn-Hellersdorf

Zukunftsaufgabe: Bezirksgrün stärken

Hecken, Sträucher und Wiesen, die für den Wohnungsneubau unter Beton verschwinden, Personalmangel im Grünflächenamt, Landschaftsschutzgebiete unter Nutzungsdruck, Stadtbäume, denen der Klimawandel zusetzt: Die Sorge um das Stadtgrün in Marzahn-Hellersdorf wächst. 

Dass der Erhalt und die Entwicklung der grünen Infrastruktur ein wichtiges Zukunftsthema ist, zeigt sich auch an den Debatten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Ob Baumfällungen oder Blühstreifen, Nachverdichtung oder Beweidung: Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht über grüne Orte gesprochen oder diskutiert wird. 

 

Programm gegen negative Baumbilanz 

In der jüngsten BVV-Sitzung haben Grüne und Linke nun eine weitere Maßnahme für mehr Klimaschutz angeregt. In einem Antrag fordern sie das Bezirksamt auf, bis zum Ende der laufenden Wahlperiode über die regulären Baumpflanzungen hinaus mindestens 1.000 weitere Stadtbäume zu pflanzen und die Bürger:innen aktiv oder mittels Spendenaufruf an der Aktion zu beteiligen. In der Begründung des Antrags heißt es, der Bezirk verliere unglaublich viele Bäume. Allein in der Hönower Weiherkette seien zuletzt über 1.000 Gehölze gefällt worden. Das 1.000 Bäume-Programm solle dazu beitragen, das Stadtgrün „zukunftsfest zu machen und dem Trend der negativen Baumbilanz entgegenzuwirken“, schreiben der Grünen-Verordnete Pascal Grothe und Linken-Fraktionschef Bjoern Tielebein. 

 

Bezirk gibt erneut Geld fürs Grün zurück

Problem dabei ist allerdings die Personalsituation im Grünflächenamt. Seit Jahren schon sind die Teams notorisch unterbesetzt. Die Mitarbeiter:innen kommen mit dem Pflanzen längst nicht mehr hinterher. Aktuell sind mindestens 298 Baumstandorte frei. Das hat der Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller über eine parlamentarische Anfrage in Erfahrung gebracht.

Insgesamt sind in den zurückliegenden beiden Jahren 2020 und 2021 über fünf Millionen Euro für neue Straßenbäume und die Pflege der Grünanlagen verfallen, weil der Bezirk keine Chance hatte, die Mittel für die sogenannte „Grünbauoffensive“ zu verbrauchen. – Das geht gar nicht, findet die Mehrheit der in der BVV vertretenden Fraktionen. Darum soll das Bezirksamt nun bis September darlegen, wie es gelingen kann, die zur Verfügung stehenden Mittel künftig auch tatsächlich umzusetzen.

 

Marzahn-Hellersdorf soll „essbar“ werden

Das vorgeschlagene Pflanzvorhaben wird von den Initiatoren Grothe und Tielebein als Bestandteil des Konzepts „Essbare Stadt“ verstanden. Noch ist der Bezirk weit von Vorbildern wie dem rheinland-pfälzischen Andernach entfernt. „Dort können Sie als Tourist an Salatblättern, die in Blumenkübeln wachsen, knabbern und Obst essen, das in Parks gedeiht“, berichtete der Grünen-Fraktionsvorsitzende Nickel von Neumann im Mai in der BVV. Unklar ist bislang, wie Marzahn-Hellersdorf zu mehr grünen Nasch-Oasen kommen will. Ein ausgereiftes Konzept gibt es noch nicht. Linke, Grüne und SPD schlagen vor, in einem ersten Schritt einheimische Nutzpflanzen wie Obstbäume in die bezirkliche Pflanzliste aufzunehmen. Dort, wo der Bezirk ohnehin Grün pflanzen wolle, würde dann der Himbeerstrauch die Rosenhecke „ausstechen“. Geeignete Orte seien Schulen, Kindergärten und Jugendfreizeiteinrichtungen, findet die Initiatorin des mehrheitlich beschlossenen Antrags, Sarah Fingarow (Linke). Sie plädiert zudem dafür, „bei der Umsetzung der essbaren Stadt auch Wohnungsbaugesellschaft mit ins Boot zu holen.“

Genau wie das Projekt „Essbare Stadt“ stammt auch die Initiative „Mähfreier Mai“ aus England. Im Mutterland des akkurat gekürzten Rasens gönnen immer mehr Gartenbesitzer:innen und Grünfreunde ihren Mähmaschinen den gesamten Wonnemonat über eine Pause. Allmählich schwappt die Aktion gegen das Artensterben auch nach Deutschland. 

 

 

Pflanzaktion an der Volkshochschule

Bis Marzahn-Hellersdorf hat sich der „Mähfreie Mai“ allerdings noch nicht herumgesprochen. Nickel von Neumann ärgert sich seit Jahren über den Umgang des Grünflächenamts mit dem Straßenbegleitgrün. „Es wird jedes Mal gemäht, wenn es blüht“, beklagt er. Bienen und andere Insekten würden dadurch Nahrung und Nistmöglichkeiten verlieren.

 

Gewissermaßen als kleine „Ausgleichsmaßnahme“ haben die Grünen im Bezirk am Weltbienentag und Nachbar:innentag, eine Pflanzaktion auf dem Gelände der Volkshochschule in der Mark-Twain-Straße veranstaltet. 40 insektenfreundliche Stauden wanderten aus ihren Pflanztöpfen in den Boden – darunter Malven, Bartnelken, Duftnesseln, Eisenkraut, Mädchenaugen, Margeriten, Rote Spornblumen, Kissenastern, Schneeball, Katzenminze, Hain-Salbei, Duftnesseln und viele andere Arten. Als alle Pflanzen eingebuddelt und mit Wasser versorgt waren, wurden noch einige Saatbomben geworfen. „Das wird ein großes Insektenparadies“, freute sich Initiator Max Linke. Auch Volkshochschulleiter Maik Neudorf lobte die „tolle Idee“ des 19-jährigen Kreisverbandssprechers. 

 

Da die Blütentracht für Insekten, insbesondere Wildbienen, in der Stadt nach wie vor nicht ausreicht, haben die Grünen in einen dringlichen BVV-Antrag im Juni gefordert, die vorhandenen blühenden Bezirkswiesen seltener als bisher zu mähen. „Aktuell werden unzählige Wiesen und Grünstreifen im Bezirk abgemäht. Um über den Sommer bis in den Herbst die Versorgung der Insekten sicherzustellen, besteht dringender Handlungsbedarf“, macht die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Thiel-Klein deutlich.