Bezirksbürgermeister fordert Gipfel mit der Sozialsenatorin

Drohender Fluchtwinter und ungleiche Verteilung von Unterkünften:

Bezirksbürgermeister fordert Gipfel mit der Sozialsenatorin

Berlin braucht dringend mehr Plätze, um Geflüchtete unterzubringen. Während Putin vor dem Winter gezielt überlebenswichtige Infrastruktur in der Ukraine bombardieren lässt und damit noch mehr Menschen in die Flucht treibt, kommen seit Ende des Sommers auch wieder enorm viele Asylsuchende aus anderen Ländern in die Hauptstadt. Ihre Unterbringung wird eine Mammutaufgabe. 

Zu den potenziellen Standorten halten sich LAF und Senat allerdings oft bedeckt. Abstimmungen mit den Bezirken? – Fehlanzeige. Das jedenfalls beklagt der Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Gordon Lemm (SPD). Er sagt: „Wir erfahren quasi erst mit Beschluss, wenn bei uns neue Einrichtungen aufgemacht werden.“ Mit 4.033 Plätzen in zehn Unterkünften bietet der Bezirk aktuell mehr Geflüchteten ein Dach über dem Kopf als Friedrichshain-Kreuzberg (1.024), Mitte (963), Neukölln (1.058) und Charlottenburg-Wilmersdorf (756) zusammen. Schon zu Beginn seiner Amtszeit vor einem Jahr hatte Lemm in einem offenen Brief an den Senat signalisiert, dass sich Marzahn-Hellersdorf am Rande der Belastbarkeit sieht. 

 

Geflüchtete brauchen mehr als ein Dach über dem Kopf 

Es fehlt zusehends nicht nur an angemessenen Unterkünften, sondern auch an Ressourcen und sozialer Infrastruktur, um den Zufluchtsuchenden ein gutes Ankommen zu ermöglichen. Vor allem Arztpraxen, Sprachmittler:innen, Kita- und Schulplätze sind rar. Die Forderung des Sozialdemokraten nach einer faireren Verteilung der Neuankommenden auf alle Bezirke wurde vom Land Berlin bislang komplett ignoriert. Nach wie vor bringen die Ostbezirke Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf berlinweit knapp die Hälfte (44,45 %) aller Geflüchteten unter. 

 

Auch die Westbezirke in die Pflicht nehmen

Presseberichte, wonach der Senat 30 Objekte als mögliche neue Unterkünfte in den Blick genommen habe, die wieder überwiegend im Osten der Stadt liegen sollen, veranlassten Gordon Lemm Ende Oktober dazu, öffentlich einen Krisengipfel mit der Sozialsenatorin zu fordern. Unterstützung für seinen Vorschlag erhält er sogar aus Charlottenburg-Wilmersdorf – von Parteifreundin Heike Schmitt-Schmelz. Die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin rechnete in den sozialen Medien vor, dass in Marzahn-Hellersdorf Geflüchtete bereits 1,5 Prozent der gesamten Einwohnerschaft ausmachen, während es in ihrem Bezirk nur 0,22 Prozent seien. Sie sehe auch Charlottenburg-Wilmersdorf trotz begrenzter Flächen in der Verantwortung, mehr Menschen eine sichere Unterkunft zu bieten. „In einer solchen Zeit müssen wir zusammenstehen. Ich bin mir sicher, gemeinsam packen wir das in Berlin“, so Schmitt-Schmelz. 

 

Die Senatssozialverwaltung sieht hingegen keine Notwendigkeit für ein Krisentreffen. Gegenüber der „Hellersdorfer“ erklärte ein Sprecher, es gebe mit den zuständigen Stadträt:innen in den Bezirken ständig intensive Abstimmungen zur Verteilung und Unterbringung der Menschen. „Wir brauchen dafür keinen Flüchtlingsgipfel sondern lösungsorientierte Gespräche, die es natürlich – so wie bisher – auch weiterhin geben wird.“

 

Sozialstadträtin Zivkovic wünscht sich bessere Kommunikation

Marzahn-Hellersdorfs Sozialstadträtin Nadja Zivkovic (CDU) findet den Austausch gelinde gesagt ausbaufähig. Sie hätte nicht gleich wie Lemm einen Gipfel gefordert, wünsche sich aber „auf jeden Fall“ eine bessere Kommunikation. „Wir werden nur auf Nachfrage informiert.“ Zivkovic kann nur bestätigen, dass die Auswahl von Liegenschaften für die Geflüchtetenunterbringung durch das LAF sehr intransparent sei.

 

Als Beispiel führt Gordon Lemm die Immobilie am Brebacher Weg an. Die ehemalige Erstaufnahmeeinrichtung steht seit Frühjahr 2021 leer. Der Bezirk hatte bereits mehrfach angeregt, den Plattenbau als Unterkunft zu reaktivieren. Platz wäre für 450 Menschen. Bereits überbelegte Einrichtungen könnten dadurch entlastet werden. Doch das Gebäude müsste vorher saniert werden. „Leider wird sich um den Standort Brebacher Weg seitens des Landes so gut wie gar nicht gekümmert“, bemerkt der Bezirksbürgermeister.