Was es heißt, eine komplette Wahl in 90 Tagen zu organisieren

Gastbeitrag von Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD)

Was es heißt, eine komplette Wahl in 90 Tagen zu organisieren

Im Gastbeitrag für unsere Zeitung spricht der auch für Bürgerdienste zuständige Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) über dir Vorbereitungen zur Winterwiederholungswahl in Berlin

Liebe Marzahn-Hellersdorferinnen

und Marzahn-Hellersdorfer,

 

seit gut zwei Wochen haben wir Gewissheit: In Berlin wird noch einmal komplett neu gewählt. Nie zuvor hat es so etwas in der Geschichte unserer Stadt gegeben und nie zuvor war die Vorbereitungszeit auf Wahlen kürzer. Was die Bezirke und das Land sonst mit über einem Jahr Vorlaufzeit organisieren, muss diesmal in nur 90 Tagen gestemmt werden. Dabei steht viel auf dem Spiel: Es geht um nichts weniger als das verloren gegangene Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner in unsere demokratischen Strukturen zurückzugewinnen.

 

Damit wir als Bezirk diesen Kraftakt erfolgreich meistern, haben wir die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts nicht erst abgewartet, sondern sind gleich in die Vorbereitungen auf den 12. Februar eingestiegen. Denn die To-do-Liste ist lang: Unter anderem müssen Wahlverzeichnisse schleunigst aktualisiert und überprüft werden, weil die Briefwahlunterlagen an alle Haushalte schon ab dem 2. Januar rausgehen. Außerdem wird jedes einzelne der 166 benötigten Wahllokale unter die Lupe genommen und ausgestattet. Dafür sind Ausschreibungen erforderlich. Neuerdings müssen an jedem Standort auch mindestens drei Wahlkabinen vorhanden sein. Sollten sich Räume als ungeeignet herausstellen oder am Wahltag nicht verfügbar sein, muss Ersatz her. 

 

Vor zusätzliche Herausforderungen stellt uns die Jahreszeit. Wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und daher neben Sicherheitskräften auch Winterdienste für das Datum binden. Mehr noch als vielleicht im Sommer braucht es aber auch ein funktionierendes Warteschlangenmanagement. Niemand, der wählen geht, soll lange draußen in der Kälte frieren. 

 

Ohne helfende Hände wäre ein geregelter Wahlablauf nicht möglich. Umso erfreulicher ist es, dass sich schon über 2.500 Menschen aus unserem Bezirk online als Wahlhelfende beworben haben. Die deutlich höhere Aufwandsentschädigung scheint seine Wirkung zu erzielen. Insgesamt braucht Marzahn-Hellersdorf über 3.000 Kräfte. Wir haben daher auch alle 4.800 ehemaligen Wahlhelfenden angeschrieben und gefragt, ob sie wieder bereit wären, mitzumachen. Doch die Rekrutierung ist nur die halbe Miete. Wir sind gefordert, die Wahlhelfenden angemessen zu schulen und ihren Einsatz bestmöglich zu koordinieren.

 

All diese und viele andere Dinge konnten nicht auf die lange Bank geschoben werden. Unser Wahlamt besteht aus nur drei Mitarbeitenden, die bei der Bewältigung der vielen Aufgaben auf Unterstützung angewiesen sind. Deshalb haben wir – wie andere Bezirke übrigens auch – die unpopuläre Entscheidung getroffen, eines unserer drei Bürgerämter kurzfristig zu schließen, um die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen ins Wahlamt umzusetzen. Zusätzlich werden 20 weitere Mitarbeitende ab Mitte Dezember und Anfang Januar eingestellt, um bei der Briefwahlvorbereitung sowie deren Umsetzung mitzuhelfen. 

Die Schließung des Bürgeramts Helle Mitte hat insbesondere Menschen verärgert, die bereits einen Termin gebucht hatten. Ich kann ihren Unmut verstehen. Wir bemühen uns, für alle unaufschiebbaren Termine schnell Ersatz zu finden. 

 

Sicher haben Sie es auch verfolgt: Aktuell wird in der Stadt über den Termin für den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ diskutiert. Nicht wenige Stimmen drängen auf eine parallele Abstimmung mit der Wiederholungswahl am 12. Februar. Der Landeswahlleiter hingegen hat wegen der ohnehin engen Zeitschiene Bedenken hinsichtlich einer Zusammenlegung geäußert. Auch die große „Zettelwirtschaft“, die bei der Pannenwahl im letzten Jahr zu Überforderungen in den Wahlkabinen geführt hat, will man in Berlin unbedingt vermeiden. Anderseits müssen wir das Anliegen der Bürgerinitiative „Klimaneustart“ unbedingt ernst nehmen. Sollte es einen zweiten Wahltermin geben, hielte ich es für sinnvoll, den Volksentscheid mit der Teilwiederholung der Bundestagswahl zusammenzulegen. Das würde beide Abstimmungen attraktiver machen.   

 

Trotz aller Hürden und Herausforderungen blicken wir als Bezirk dem Wahltag zuversichtlich entgegen. Es gibt noch viel zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg. Als Verwaltung werden wir die Wahlen mit 900 Dienstkräften absichern. Der größte Teil davon ist an der Basis in den Wahllokalen tätig, während rund 50 Kolleginnen und Kollegen im Rathaus die Betreuung und Koordination übernehmen. Sollten Wahlhelfende ausfallen oder andere Probleme auftreten, werden sie schnell reagieren und dort, wo es klemmt, zur Stelle sein.

 

Herzlich

 

Ihr Gordon Lemm