Was war und was wird, Frau Zivkovic?

Aus- und Rückblick mit der Bezirksstadträtin

Was war und was wird, Frau Zivkovic?

Nadja Zivkovic © pressefoto-uhlemann.de
Nadja Zivkovic © pressefoto-uhlemann.de

Die fünf Mitglieder der „Bezirksregierung“ blicken auf 2022 zurück und verraten, was sie in diesem Jahr so alles angehen wollen. Hier das Interview mit Nadja Zivkovic (CDU), Stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Bezirksstadträtin der Abteilung Soziales.

■ Frau Zivkovic, wie würden Sie das zurückliegende Jahr 2022 in einem Satz beschreiben?

Als ein sehr aufregendes Jahr, das uns hier im Sozialamt vor allem wegen des Ukraine-Krieges enorm gefordert hat.

 

Im Frühling herrschte riesiger Andrang vor den Türen Ihrer Behörde. Berlins Sozialämter gehörten zu den ersten Anlaufstellen für die Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine. Wie ist aktuell die Situation?

Mit dem Rechtskreiswechsel ging ja die Zuständigkeit für ukrainische Geflüchtete am 1. Juni vom Sozialamt zum Jobcenter über. Dadurch ist das zusätzliche Arbeitsaufkommen natürlich weniger geworden. Nach wie vor aber beantragen pro Woche so im Schnitt 25 Ukrainerinnen und Ukrainer Leistungen bei uns, weil sie noch auf ihren Aufenthaltstitel warten. Da gerade Neuanträge sehr zeitaufwendig sind, ist das ein spürbarer Mehraufwand für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter. Generell muss ich unserer Amtsleiterin Frau Rubach und den Kolleginnen und Kollegen ein großes Lob aussprechen. Ich finde, wir haben da letztes Jahr ein sehr gutes, schnelles Krisenmanagement auf die Beine gestellt.

 

In anderen Bezirken mussten Sozialämter Sprechzeiten zurückfahren oder komplett schließen, um mit der Bearbeitung von Akten hinterherzukommen.  

Das konnten wir abwenden. Lediglich um Christi Himmelfahrt hatten wir tageweise geschlossen, um die Rückstände abzuarbeiten. Was uns generell ein paar Probleme bereitet, ist die Bearbeitung von Änderungsanträgen. Erstbescheide bekommen wir ziemlich schnell ausgestellt, damit die Leute erst einmal ihr Geld erhalten. Aber bei der Nachbearbeitung von Vorgängen wollen wir künftig schneller werden.

 

■ In einem Brandbrief an Berlins Regierende Bürgermeisterin haben Sie und ihre Amtskolleginnen und -kollegen aus den anderen Bezirken Ende des Jahres vor einer Überlastung der Sozialämter gewarnt. Es ging da vor allem um die Berlinpass-Umstellung. Was ist daraus geworden?

Kurz zum Hintergrund: Der Berlinpass, mit dem Leistungsberechtigte bislang vergünstigten Eintritt zu Kultur-, Bildungs-, Sport- und Freizeitangeboten und auch das Sozialticket für den ÖPNV erhalten haben, wird durch den sogenannten Berechtigungsnachweis ersetzt. Für die Ausstellung sind künftig nicht mehr die Bürgerämter, sondern die Sozialämter zuständig. Unsere Hauptkritik war, dass vor der Versendung Tausender Nachweise auf jedes einzelne Anschreiben händisch QR-Codes geklebt werden müssen. Deshalb hatten wir eine Übergangsfrist bis Ende Juni erbeten. In der Zeit sollte das Verfahren digitalisiert werden. Herausgekommen sind drei Monate Fristverlängerung. Der Prozess läuft weiterhin manuell. 

 

■  Wie viele Stellen sind derzeit im Sozialamt offen?

Mit etwa 30 unbesetzten Stellen bei 280 Beschäftigten stehen wir personell besser da als andere Abteilungen. Außerdem herrscht hier wirklich ein sehr guter Teamspirit und auch die Altersstruktur passt. Im Moment können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Mehrbelastung noch gut schultern, aber das darf kein Dauerzustand werden, insofern freuen wir uns immer über Fachkräftenachwuchs.

 

■ Sie waren in der zurückliegenden Legislaturperiode für Wirtschaft, Straßen und Grünflächen zuständig. Haben Sie lange gebraucht, um mit dem neuen Ressort warm zu werden?

Nein, eigentlich nicht. Wie gesagt: Die Mitarbeitenden sind toll und ich habe Marzahn-Hellersdorf im vergangenen Jahr dadurch noch mal aus einer komplett anderen Perspektive kennenlernen dürfen. Das hat mir einen viel breiteren Blick auf den Bezirk verschafft. 

 

■  Welche Herausforderung sehen Sie auf das Sozialamt im nächsten Jahr zukommen?

Ich denke, das neue Tariftreue-Gesetz wird uns intensiv beschäftigen. Durch die besseren Löhne für Pflegekräfte müssen Menschen, die gepflegt werden, einen höheren Eigenanteil zahlen, was sich viele nicht mehr leisten können. Wir nehmen seit Inkrafttreten des Gesetzes schon eine Antragssteigerung bei der Hilfe zur Pflege wahr. Das wird sicher noch zunehmen. Allerdings gibt es auch Pflegebedürftige, die ihr ganzes Leben lang keine Leistungen vom Staat bezogen haben und den Weg zum Sozialamt als entwürdigend empfinden. Ich kann nur an alle appellieren, die Leistungen, die ihnen zustehen, auch in Anspruch zu nehmen, ehe sie anfangen, ihre Pflegeverträge zu kürzen.

 

■  An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Zum Beispiel sind wir gerade dabei, einen gemeinsamen Webauftritt aller Marzahn-Hellersdorfer Stadtteilzentren auf den Weg zu bringen. Dort erhalten Nutzerinnen und Nutzer künftig einen Überblick über die jeweiligen Einrichtungen und den umfangreichen Veranstaltungskalender. Ich denke, das kann ein wichtiger Baustein sein, um die Angebote unserer Stadtteilzentren bekannter zu machen. Läuft alles nach Plan, geht die Seite im zweiten Quartal dieses Jahres online. 

 

Weiterhin konnte ich zusammen mit dem Seniorenservicebüro und der Alice-Salomon-Hochschule beim Verband der Ersatzkassen Fördermittel einwerben, um gegen das Thema Einsamkeit vorzugehen. Wir werden alle Menschen, die 67 Jahre alt sind, anschreiben und ihnen einen Ruhestandskompass übersenden. Die Broschüre hilft, sich damit auseinanderzusetzen, was man im Ruhestand mit seiner Zeit anfangen möchte. Gleichzeitig werden wir aufzeigen, welche Angebote es in den Stadtteilzentren, der Freiwilligenagentur, Volkshochschule etc. gibt. Denn ich merke in vielen Gesprächen, dass viele Bürgerinnen und Bürger, gerade Senioren, gar nicht wissen welche Möglichkeiten ihnen im Bezirk offenstehen. Die ASH wird das Vorhaben wissenschaftlich begleiten und evaluieren.

 

■  Die Wiederholungswahl steht vor der Tür. Eigentlich behalten die Mitglieder des Bezirksamtskollegiums ihren Status als „Beamte auf Zeit“. Ihre Partei wirbt auf Plakaten trotzdem eifrig für Sie als Spitzenkandidatin. Wollen Sie Rathaus-Chefin werden?

Ja natürlich. Wenn sich die Kräfteverhältnisse in der BVV noch mal verändern, werden wir uns da neu verständigen müssen.

 

■  Worauf würden Sie als Bürgermeisterin besonderes Augenmerk legen?

Es gibt einige Themen, bei denen wir als Bezirk auf Unterstützunh und Entgegenkommen vom Land Berlin angewiesen sind: Die Digitalisierung und der Kampf gegen den Ärztemangel gehören dazu. Bei der Schulplatzversorgung sind wir auch dank Torsten Kühne inzwischen auf einem guten Weg, dürfen aber nicht nachlassen. In Sachen Nachverdichtung würde ich gern etwas auf die Bremse treten. Wir brauchen eine gute soziale Durchmischung in den Quartieren. Wir sind uns auch alle einig, dass die bezirkliche Öffentlichkeitsarbeit besser werden muss. 

 

Was mir noch besonders wichtig ist: Die Wertschätzung von Mitarbeitenden. Ganz viele Leute halten uns hier in der Verwaltung seit Jahren die Stange und leisten sehr gute Arbeit. Außerdem konkurrieren wir mit dem Land, dem Bund und der freien Wirtschaft um Fachkräfte. Die Einführung von Prämien war ein guter Schritt, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, aber da geht noch mehr. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten. Auch ein Sommerfest für alle kann zu einer besseren Arbeitsatmosphäre beitragen.