Kellerkind, Krisenmanagerin, Königin von Kaulsdorf

Für die langjährige Chefin der Rettungsstelle und Vivantes-Urgestein Maria-Barbara Naumann hat ein neues Kapitel begonnen: der Unruhestand

Kellerkind, Krisenmanagerin, Königin von Kaulsdorf

Als am 1. Februar 1981 ihre ärztliche Karriere im Krankenhaus Kaulsdorf begann, gab es noch nicht einmal eine Rettungsstelle. „Der Pförtner schickte damals alle Notfallpatienten auf die Zuckerstation“, erinnert sich Maria-Barbara Naumann an die Anfänge vor 42 Jahren. So lange, fast ein halbes Jahrhundert, hat die Internistin ihrem „Kauli“ die Treue gehalten, sich in den Dienst der Medizin gestellt, unzählige Patient:innen behandelt, die Rettungsstelle in die Zukunft geführt und wie eine Löwin für die Entwicklung und den Erhalt des Klinikstandorts am Rande der Stadt gekämpft. 

Bei ihrer emotionalen Verabschiedung im kleinen Kreis wurde eine Lobeshymne nach der anderen auf die 68-jährige Bundesverdienstkreuzträgerin angestimmt. „Du bist die Königin des Klinikums Kaulsdorf. Du bist legendär“, sagte der Geschäftsführende Direktor Axel Gerlach.

 

Herzerfrischende Anekdoten zum Abschied

Vivantes-Chef Dr. Johannes Danckert bewunderte Naumanns „beeindruckende Persönlichkeit“. Zwischen den Reden von Wegbegleiter:innen wie der ehemalige Klinikdirektor Detlev Corsepius, CDU-Generalsekretär Mario Czaja und Ex-Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle flimmerte ein kurzweiliger Film über die Leinwand, der voller Anekdoten und Bilder aus Naumanns Arbeitsleben und der wechselvollen Krankenhaushistorie steckte. Wer es noch nicht wusste, erfuhr von Magenspiegelungen in Schwesternzimmern und dass die Mitarbeiter:innen der Rettungsstelle in den 80er Jahren zunächst „Kellerkinder“ im Haus 7 waren, ehe sich ihre Arbeitsbedingungen kontinuierlich verbesserten. Naumann selbst berichtete vom massiven Patient:innenrückgang nach der ukb-Eröffnung 1997 und wie das Vivantes Klinikum Kaulsdorf im neuen Jahrtausend den Turnaround schaffte. 

 

Immer mit der Extra-Portion Zuversicht

„Dieser Standort war oft abgeschrieben“, erinnerte sich Mario Czaja. Aber egal was war, Naumann habe nie der Mut verlassen. Die Zuversicht, die sie ausstrahlte, gab auch allen anderen um sie herum die notwendige Kraft, schwierige Situationen zu meistern. „Es ist immer wieder schön, heute über das Gelände zu gehen und zu sehen, wie sich dieses Haus entwickelt hat“, bemerkte der CDU-Politiker, der als Senator im Vivantes-Aufsichtsrat saß. Aktuell stehe das Gesundheitssystem und Krankenhauswesen wieder vor einem schwierigen Umbruch, so Czaja. „Ich hoffe daher, dass Sie mit Ihrem Rat und Ihrer Unterstützung weiterhin für dieses wichtige Unternehmen Vivantes da sind.“ Er persönlich verbinde auch privat so einiges mit dem Klinikum, gestand er. Als Kaulsdorfer Jung‘ durfte er die Rettungsstelle häufiger von innen sehen, als ihm lieb war. „Ich weiß nicht, wie oft Sie mir hier den Kopf getackert haben“, scherzte er. 

 

Das Unmögliche möglich gemacht

Chefärztin der Rettungsstelle seit 2008, Ärztliche Direktorin in Kaulsdorf seit 2012, Sprecherin des Medical Boards der Rettungsstellen und der Ständigen Konferenz der Ärztlichen Vivantes-Direktoren, Beauftragte für Antidiskriminierung – es sind etliche Posten, die Maria-Barbara Naumann bekleidet und jetzt abgegeben hat. Überall hinterlässt sie große Fußstapfen. Beeindruckend sei auch ihre 24/7-Ansprechbarkeit gewesen, erklärte Axel Gerlach. „Ausnahmslos immer konnte ich anrufen, ob am Wochenende, zu nachtschlafender Zeit oder im Urlaub.“ Ähnlich formulierte es auch Pflegedirektor Thomas Kobalz: „Wir konnten immer zu dir kommen. Du hast immer ein offenes Ohr für die Pflege gehabt und das Unmögliche möglich gemacht. Das haben bei uns im Haus alle gespürt.“

 

Lotsin und Bundesverdienstkreuzträgerin

Das Herz am rechten Fleck und absolut krisenfest – auch das zeichnet die beliebte Ärztin aus. 2015 organisierte sie ganz unkompliziert die medizinische Betreuung zahlreicher Geflüchteter in Marzahn-Hellersdorf. Und in der Corona-Pandemie lotste sie das Krankenhaus an der Myslowitzer Straße unaufgeregt durch schwierige Zeiten. Naumann habe die Gabe, sich und andere auf die echten Probleme zu fokussieren, meint Axel Gerlach.

Als begeisterte Notfallmedizinerin machte sie sich zudem immer wieder für die Zusammenarbeit von Feuerwehr und Notarztstellen stark und brachte interdisziplinäre Weiterbildungsveranstaltungen auf den Weg – darunter die „Notfallmedizinischen Mittwochsveranstaltungen“ und das „Kaulsdorfer Notfallkolleg“. Für ihren Einsatz wurde ihr im November 2020 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz verliehen. 

 

Auch im Ruhestand noch für Vivantes da

Die Auszeichnung überreichte seinerzeit die damalige Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle. Von ihr bekam Maria-Barbara Naumann zur Verabschiedung „ein dickes Buch“ mit Reisetipps geschenkt. Sie habe länger gearbeitet, als das eigentlich vorgesehen war, merkte Pohle an. Jetzt werde es mal Zeit, noch mehr von der Welt zu entdecken. „Dabei wünsche ich dir alles Gute, vor allem Gesundheit und Kraft.“

„Ohne die Naumann geht hier nix“, hieß es lange Zeit im Vivantes Klinikum Kaulsdorf. Jetzt muss es ohne sie gehen – na ja fast. So ganz möchte der Konzern nicht auf die engagierte Ärztin verzichten, wie Dr. Johannes Danckert verriet. Denn ihre „Erfahrungen, Lebensweisheiten und Mantras“ sind gerade bei der Ausbildung des Fachkräftenachwuchses schwer gefragt.