Letzter Wohnort Kaulsdorf: Das tragische Schicksal des „Vater und Sohn“-Zeichners e.o.plauen

Der Karikaturist Erich Ohres wurde vor 120 Jahren geboren

Letzter Wohnort Kaulsdorf: Das tragische Schicksal von e.o.plauen

Erich Ohser – eine Selbstkarikatur aus dem Jahr 1940 © Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
Erich Ohser – eine Selbstkarikatur aus dem Jahr 1940 © Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung

Am Feldberg 3 in Kaulsdorf erinnert eine 60 mal 43 Zentimeter große Gedenktafel an das Schicksal zweier Männer. Es sind die Namen des Journalisten Erich Knauf und des Karikaturisten Erich Ohser, die dort in Porzellan gemeißelt stehen. Die beiden hatten an dem Ort ihre letzte Wohnstätte. Ein paar Nazi-Witze wurden ihnen zum Verhängnis. Der Geburtstag von Ohser, nach dem in Kaulsdorf-Nord auch der Ohserring benannt wurde, jährt sich heute zum 120. Mal. 

Der am 18. März 1903 im Vogtland geborene Erich Ohser gilt als Pionier des Comics in Deutschland. Bis heute sogar im Ausland populär sind die „Vater und Sohn“-Bildergeschichten, die er wegen eines Berufsverbots während des NS-Regimes unter dem Pseudonym e.o.plauen veröffentlichte. Zwischen 1934 und 1937 unterhielten die liebe-, humorvollen und geistreichen Zeichnungen ohne Text Woche für Woche Hunderttausende Leser der „Berliner Illustrirten Zeitung“.

 

Politische Karikaturen fürs Zentralorgan der SPD

Aber Erich Ohsers Werk umfasst mehr als „nur“ die beliebten Comics. Schon bevor er seinem Freund Erich Kästner, dessen erste Bücher er illustrierte, 1927 nach Berlin folgte, wurden seine Karikaturen in verschiedenen sächsischen Zeitungen publiziert. Die Hauptstadt bot ihm dann einen Arbeitsraum ganz nach seinem Gusto. Beim Flanieren durch die Metropole, in den zahlreichen Caféhäusern, Varietés und Kabaretts konnte Erich Ohser seiner Schaulust nachgehen. „Wir saßen täglich stundenlang in unserem Café am Nürnberger Platz und erfanden politische Witze, die Ohser graphisch umsetzen konnte“, berichtete Erich Kästner einmal. Die Zeichnung war sein bevorzugtes Medium, die Welt zu kommentieren. So richteten sich bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 auch etwa 170 politische Karikaturen im sozialdemokratischen Zentralorgan „Vorwärts“ sowohl gegen die Braunen als auch gegen die radikalen Linken. 

 

 

Regimekritiker, aber kein Widerstandsheld

Wie Kästner und sein erster Förderer und Freund, der Journalist Erich Knauf, litt auch Ohser unter dem NS-Regime. Er tat es seinen beiden Weggefährten gleich und entschied sich für die „Innere Emigration“. Ohser verstand sich als Patriot und als glühender Antikommunist, der einen Unterschied zwischen Deutschland und Hitlerdeutschland machte. Und obwohl er die Nationalsozialisten verabscheute, ließ er sich von ihnen vor den Karren spannen. Von 1940 bis 1944 zeichnete er für die von Propagandaminister Goebbels gegründete Zeitschrift „Das Reich“ über 800 Zeichnungen, zumeist politische Karikaturen gegen die Alliierten. Gegenüber Hans Fallada soll Ohser sich mit den Worten gerechtfertigt haben: „Aber sie sind nun einmal jetzt unsere Gegner, die Churchill, die Roosevelt, die Stalin – es ist nicht unanständig, gegen unsere Gegner zu kämpfen. Ich tue nichts anderes, als was sie gegen uns tun. Aber eines tue ich nicht: Ich zeichne nie eine antisemitische Karikatur, diese Schweinereien mache ich nicht mit.“

 

Der Verräter wohnte nebenan

1943 zerstörten diese Alliierten seinen geliebten Zoo und Ku’damm, sein Atelier in der Budapester Straße und die Wohnung der Familie in Wilmersdorf. Während Frau und Kind nach Süddeutschland flüchteten, kamen Ohser und Knauf im Haus des Mediziners Dr. Hans Daubenspeck am Feldberg 3 in Kaulsdorf unter. „Ich wohne ja nun Gottseidank ein ganzes Stück vor der Stadt. Mein Haus hat einen guten Luftschutzkeller. Mich wird man nicht so leicht finden“, schrieb er seinem Sohn Christian. Damals ahnte Ohser noch nicht, dass vor allem in diesem Luftschutzkeller sein Schicksal besiegelt werden sollte. Knauf und Ohser vertrieben sich die Zeit dort nämlich am liebsten damit, laut und ungehemmt über die deutsche Kriegsführung, Hitler und Göring zu lästern. Der Aktfotograf Bruno Schultz und Ehefrau Margarete, die ebenfalls bei Daubenspeck wohnten, notierten heimlich über Monate hinweg, was die beiden so von sich gaben, bis sie genug Stoff hatten, Knauf und Ohser wegen regimekritischer Aussagen zu denunzieren. Denn Bruno Schultz war auch SS-Mitglied. Am 28. März 1944 werden beide in Kaulsdorf von der Gestapo verhaftet und angeklagt. 

 

„Mache aus ihm einen Menschen!“

Goebbels erklärte den Fall zur Chefsache und forderte den berüchtigten NS-Blutrichter Roland Freisler auf, die Sache rasch zum Abschluss zu bringen. Seinem Todesurteil kam Ohser einen Tag vor seinem Prozess am Volksgerichtshof zuvor. In der Nacht vom 5. zum 6. April 1944 erhängte er sich am Fenstergitter seiner Zelle im Gestapo-Gefängnis Berlin-Moabit. „Sie haben mit mir einen Patrioten in den Tod getrieben“, schrieb er in einem seiner Abschiedsbriefe. Seine Frau Marigard bat er in Bezug auf den gemeinsamen 13-jährigen Sohn Christian: „Mache aus ihm einen Menschen", er gehe mit einem „glücklichen Lächeln“. Obwohl Ohser noch versucht hatte, in einem schriftlichen „Geständnis“ seinen Weggefährten Erich Knauf zu entlasten, wurde dieser am 2. Mai im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. 

 

Dienst am Volk (1931), © Erich Ohser, e.o. plauen Stiftung
Dienst am Volk (1931), © Erich Ohser, e.o. plauen Stiftung