Bezirksbürgermeisterin fühlt sich in erster Linie als Europäerin

So lief das Themenfrühstück zur EU-Wahl mit Nadja Zivkovic

Bezirksbürgermeisterin fühlt sich in erster Linie als Europäerin

Volle Tische am Donnerstagmorgen im Nachbarschaftszentrum Kiek in (Rosenbecker Straße 25–27). Es sind noch drei Tage bis zum 9. Juni und Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) ist bestens gelaunt. Das rege Interesse an dem Themenfrühstück „Wir in Marzahn: Was gibt uns Europa?“ stimme sie in Hinblick auf die Beteiligung an der Europawahl positiv, bemerkt die Rathauschefin zum Auftakt. Letztes Mal, 2019, lag die Wahlbeteiligung in Marzahn-Hellersdorf bei mickrigen 49,4 Prozent und damit so niedrig wie in keinem anderen Berliner Bezirk. Das mag unterschiedliche Gründe haben: Desinteresse, Ablehnung oder auch Unwissenheit um die Bedeutung der EU. Veranstaltungen wie diese im Marzahner Nordwesten sollen zu einem besseren Verständnis beitragen. 

Ob sie sich eher als Berlinerin, Deutsche oder Europäerin fühle, sei sie mal gefragt worden, verrät Zivkovic. „Wenn Sie mich nachts wecken und diese Frage stellen würden, wäre meine allererste Antwort ganz sicher Europäerin.“ Die europäische Idee sei für sie etwas Besonderes. Grenzenloses Reisen und Arbeiten – gerade diese Vorzüge wolle sie nie wieder missen, so die Bezirksbürgermeisterin. Marzahn-Hellersdorf wiederum profitiere in finanzieller Hinsicht nicht unerheblich von der EU: „An ganz vielen Stellen, ob im sozialen, kulturellen oder im Baubereich, erhalten wir Geld aus europäischen Förderprogrammen.“ Kiek-in-Geschäftsführerin Gabriele Geißler nickt. Auch ihr Träger profitiere von Europa, was wiederum den Menschen im Kiez zugutekomme: „Sowohl die mobile Stadtteilarbeit als auch der Nachbarschaftsladen werden aus Mitteln der europäischen Union finanziert.“

 

Im Anschluss an die einführenden Worte der Bezirksbürgermeisterin wird angeregt diskutiert – darüber, dass mit dem Haushaltsgerätehersteller Miele ein deutsches Traditionsunternehmen von Gütersloh nach Polen abwandert, über die großen geopolitische Herausforderungen, vor denen die EU steht, die militärische Abhängigkeit von den USA, über Möglichkeiten der Menschen im Bezirk, EU-Politik mitzugestalten, den Einfluss der Globalisierung auf die deutsche Sprache, eine faire Verteilung der Steuerlast und vieles mehr. 

 

Die Einstellungen zur Europäischen Union und die Anliegen der größtenteils Ü60-Jährigen im Raum sind durchaus unterschiedlich. Eine Frau, die ursprünglich aus Polen kommt und schon über 20 Jahre in Deutschland lebt, bittet um Unterstützung für ein Puppenprojekt im Bezirk, das die europäischen Werte vermittelt. Eine andere Teilnehmerin mit Migrationsgeschichte hält ein flammendes Plädoyer für die EU und ihre großen Errungenschaften – Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden. „Andere Völker in der Welt beneiden uns darum“, betont sie. Ein Mann hingegen kritisiert die „Steuertricks“ von Unternehmen, die ihren Firmensitz von Deutschland ins europäische Ausland verlagern, um weniger Abgaben zahlen zu müssen und spricht sich dafür aus, gemeinsame Steuerregeln in der EU festzulegen. Außerdem bemängelt er die große Distanz zu den Europaabgeordneten: „Wir als Bürger haben ja schon kaum Einfluss auf unsere Politiker in Deutschland, aber Brüssel ist noch viel weiter weg“, so sein Eindruck. Nadja Zivkovic empfindet das anders: „Ist nicht der größte Einfluss, den wir haben, der Wahlsonntag?“ Auch sonst gebe es durchaus die Möglichkeit, europarelevante Probleme und Themen über die Parteien vor Ort an die Mandatsträger im EU-Parlament heranzutragen. „Aber ich glaube, wir müssen nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene noch viel präsenter im Gespräch mit den Bürgern sein“, räumt die Bezirksbürgermeisterin ein.