Herzenssache Europa

Günther Krug vertritt Marzahn-Hellersdorf im Netzwerk „Europa fängt in der Gemeinde an“

Herzenssache Europa

Oft erscheint die Europäische Union sehr weit weg, dabei haben etliche Entscheidungen, die auf EU-Ebene getroffen werden, auch Auswirkungen auf die Kommunen und auf unser aller Alltag. Das 2021 ins Leben gerufene Projekt „Europa fängt in der Gemeinde an“ will Lokalpolitiker:innen dabei unterstützen, diese Distanz zu überbrücken. Auch Marzahn-Hellersdorf tritt dem Netzwerk bei. Zum Vertreter hat die BVV den erfahrenen SPD-Politiker Günther Krug (82) gewählt. 

Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) begrüßt die Entscheidung: „Ich bin mir sicher, dass er als überzeugter Demokrat und natürlich aufgrund seiner tatkräftigen Art, seiner besten Vernetzung im Bezirk und als langjähriger Mitstreiter in der BVV unseren Bezirk auf das Beste im Netzwerk vertreten wird.“ Sie erhoffe sich „neue Impulse“ und betont: „Der europäische Gedanke und die Zukunft einer aktiven, demokratischen EU sind wichtige Themen auch für Marzahn-Hellersdorf.“

 

„Die Hellersdorfer“ hat mit Günther Krug über die neue Aufgabe und sein Herzensthema Europa gesprochen:

 

■ Herr Krug, warum sollten die Leute am 9. Juni wählen gehen?

Weil es um unsere Zukunft geht. Ein starkes, in Vielfalt geeintes Europa ist die Basis für eine erfolgreiche Entwicklung des Kontinents. Wir haben keine andere Chance. Wer etwas anderes behauptet, betreibt aus meiner Sicht zerstörerischen Populismus. Natürlich ist es jetzt unsere Aufgabe, die EU weiterzuentwickeln, um die Grundwerte – das soziale Europa, Solidarität, Respekt, Frieden, Freiheit und Zusammenhalt –­ zu bewahren.

 

■ Sie vertreten Marzahn-Hellersdorf künftig im Bündnis „Europa fängt in der Gemeinde an“. Was motiviert Sie zu diesem politischen Ehrenamt?

Unser Bezirk steckt voller guter Projekte, die ohne Fördermittel der Europäischen Union nicht möglich wären. Das reicht von der Gestaltung etlicher Spielplätze bis zur Aufwertung der Hönower Weiherkette. Ich bedauere, dass wir über den Anteil, den Europa an solchen Projekten und Erfolgen hat, zu wenig sprechen. Es wird wirklich sehr viel gemacht. Es ist unendlich viel passiert, nur sollte das noch viel mehr ins Bewusstsein der Menschen gebracht werden. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten.

 

■ Worum genau geht es bei dem Projekt, in dem Sie nun mitwirken?

Erklärtes Ziel ist es, ein Netzwerk aus Kommunalpolitiker:innen in der gesamten Europäischen Union zu schaffen, die sich regelmäßig austauschen und EU-Inhalte auf lokaler Ebene mit den Menschen vor Ort diskutieren. Über tausend Gemeinden aus allen 27 EU-Staaten machen bereits mit. Die Vertreter:innen erhalten Zugang zu offiziellem Kommunikationsmaterial der EU und können an Seminaren teilnehmen. Außerdem erhalten sie Gelegenheit, Themen oder Probleme aus ihren Gemeinden an EU-Politiker:innen heranzutragen.

 

■ Sie haben bereits eine politische EU-Vergangenheit. 

Ja, das stimmt. Zu Wowereit-Zeiten durfte ich als Berliner Abgeordneter unsere Hauptstadt fast zehn Jahre lang im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas vertreten. Ich war dort auch eine ganze Weile Vizepräsident der Regionenkammer. Wir sind viel herumgekommen und haben jede Menge von der EU gesehen, was für mich vor der Wende undenkbar gewesen wäre. Ich hatte Westverwandtschaft und durfte daher  nie ins westliche Ausland fahren. Die Wertschätzung anderer Menschen, die Akzeptanz anderer Konzepte und politischer Vorstellungen – das alles habe ich durch die Arbeit im Kongress gelernt. Rückblickend war es die schönste Erfahrung meiner politischen Laufbahn.

 

■ Die Europäische Union steht von innen und außen unter Druck: Hier ein erstarkender Nationalismus, dort der brutale Krieg Russlands gegen die Ukraine. Was überwiegt bei Ihnen angesichts dieser und vieler anderer Herausforderungen: Zukunftsangst oder Zuversicht?

Ich möchte optimistisch sein, dass Europa die Kraft aufbringt, die Zukunft zu gestalten. Klar ist: Die einzelnen Staaten sind den aktuellen und künftigen Herausforderungen nicht gewachsen. Darum ist es so wichtig, dass wir in Europa an einem Strang ziehen. Als starke Einheit können wir es auch schaffen, solchen imperialen Gelüsten, wie sie von Russland ausgehen, entgegenzutreten. Davon bin ich überzeugt.

 

■ Der Krieg in der Ukraine erinnert uns schmerzhaft daran, dass sich vor der Gründung der Europäischen Union Mitgliedsstaaten als Feinde auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden. Sie waren drei Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg endete. Haben Sie überhaupt Erinnerungen daran? 

Wir waren gebeutelt vom Zweiten Weltkrieg. Die Erlebnisse und Folgen – mein Vater ist 1942 gefallen, ich bin Halbwaise – bewegen mich heute noch. Obwohl es keine Bilder davon gibt, kann ich Ihnen heute noch aufmalen, wie der Luftschutzkeller aussah, in den wir uns während der Bombardierung meiner Heimatstadt Meiningen im Februar 1945 drängten. Es war furchtbar. Umso wichtiger ist es mir, die Erinnerung daran aufrechtzuerhalten, zu mahnen, wohin uns Rechtsextremismus und Nationalismus führen, und für das Friedensprojekt Europa zu werben.