8. Mai in Marzahn-Hellersdorf
Getrenntes Gedenken am Tag der Befreiung
Am 8. Mai wurde in vielen Teilen der Stadt mit Kranzniederlegungen, Vorträgen und Lesungen an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor 80 Jahren erinnert – auch in Marzahn-Hellersdorf. Dort verlief das Gedenken jedoch gespalten. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker von Linken, Grünen und SPD zogen es vor, der zentralen Veranstaltung fernzubleiben, zu der BVV-Vorsteher Stefan Suck alle Fraktionen eingeladen hatte. Für sie war es nicht akzeptabel, den Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus Seite an Seite mit der AfD zu begehen.
Am sowjetischen Ehrenmal auf dem Parkfriedhof Marzahn lagen neben vielen weißen Blumengebinden und roten Nelken in diesem Jahr auch zwei in den Farben der russischen Trikolore gehaltene Kränze. Den einen legten Mitglieder der AfD dort ab, den anderen Vertreter der russischen Botschaft, die am Nachmittag uneingeladen bei der Gedenkveranstaltung der BVV Marzahn-Hellersdorf aufgetaucht waren. Noch bevor der offizielle Teil startete, hatten sie die Stätte auf Drängen der Bezirksbürgermeisterin wieder verlassen. Seit drei Jahren wird das Erinnern am 8. Mai vom Ukraine-Krieg überschattet. Der heutige Aggressor gehörte einst zu jenen Soldaten, die gemeinsam mit Ukrainern, Belarussen und anderen Volksgruppen zur Befreiung vom Nationalsozialismus beitrugen.
In ihrer Rede erinnerte Nadja Zivkovic (CDU) an die NS-Diktatur, die „nicht nur Trümmer in unsere Städte brachte, sondern auch tiefe Wunden in den Seelen der Menschen hinterließ“ – und an deren Niederschlagung. Gleichzeitig sprach sie eine klare Warnung vor Kräften aus, die heute erneut grundlegende demokratische Werte untergraben, indem sie „Geschichtslügen verbreiten, Hass säen und Minderheiten stigmatisieren“. Der 8. Mai, so Zivkovic, sei ein Mahnmal. Er zeige, was geschehen könne, wenn Demokratie abgeschafft, Menschen mit Füßen getreten und Meinungen unterdrückt werden. Deshalb gelte es heute umso mehr, aus der Geschichte zu lernen – und die Erinnerungen der aussterbenden Zeitzeugen weiterzugeben.
Auch BVV-Vorsteher Stefan Suck ging in seiner Ansprache auf die AfD ein, ohne sie namentlich zu erwähnen: „Wir erleben heute erneut, dass menschenverachtende Ideologien Aufwind erhalten. Einige dieser politischen Kräfte sind inzwischen von den Behörden als rechtsextrem eingestuft. Sie stellen unser demokratisches Miteinander, unsere Erinnerungskultur und unsere Werte infrage.“ Zuvor gedachte Suck in seiner Rede der gefallenen sowjetischen Streitkräfte, von denen Hunderte auf dem Parkfriedhof Marzahn ihre letzte Ruhe gefunden haben. „Ihr Einsatz erinnert uns daran: Die Freiheit, in der wir leben, ist keine Selbstverständlichkeit.“
Politische Auseinandersetzung ums würdige Erinnern
Wenige Tage vor dem Gedenktag hatten Linke und Grüne öffentlich scharfe Kritik an der Veranstaltung geübt. „Der Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf hatte mit der Tradition gebrochen, dass die Zivilgesellschaft zum Gedenken einlädt, um eine Teilnahme der AfD zu verhindern“, erklärten Kreisverband und BVV-Fraktion der Grünen in einer Pressemitteilung. Die Partei dürfe auch angesichts der jüngsten Verfassungsschutz-Einstufung nicht weiter normalisiert werden und habe auf einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus nichts zu suchen, hieß es in dem Schreiben weiter.
Die Linksfraktion warf dem BVV-Vorsteher vor, es versäumt zu haben, rechtzeitig mit zivilgesellschaftlichen Akteuren darüber ins Gespräch zu gehen, wie ein würdiges Gedenken organisiert und durchgeführt werden könne. Er persönlich habe mehrfach Versuche unternommen, ein einvernehmliches Vorgehen zu vereinbaren, berichtete Linke-Fraktionschef Bjoern Tielebein – letztlich ohne Erfolg. Auch SPD-Bezirksstadtrat Gordon Lemm verriet, dass das unabgestimmte Vorgehen bei der Ansetzung des Termins in seiner Partei für Unmut sorgte. Und so kam es, dass ein Großteil der Mitglieder von Grünen, Linken und SPD an der vom Deutschen Gewerkschaftsbund organisierten Gedenkkundgebung um 11 Uhr auf dem Parkfriedhof teilnahmen.
Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic verdeutlichte im Nachgang der Nachmittagsveranstaltung, es müsse im nächsten Jahr wieder gelingen, den Gedenktag gemeinsam zu begehen.
8. Mai als wiederkehrender Feiertag?
Der diesjährige 8. Mai war in Berlin anlässlich des Jubiläums ausnahmsweise ein Feiertag, was auch damit zusammenhängt, dass es in der Hauptstadt im deutschlandweiten Vergleich weniger Feiertage gibt. Der Marzahn-Hellersdorfer SPD-Abgeordnete Jan Lehmann hat sich in einer Pressemitteilung dafür ausgesprochen, den Tag der Befreiung alle fünf Jahre in Berlin als Feiertag zu begehen, um der besonderen Bedeutung dieses Datums für die Stadt, Deutschland und ganz Europa gerecht zu werden. Er betont, dass dabei auch die Beiträge und Opfer aller Nachfolgestaaten der Sowjetunion – von der Ukraine bis Georgien – gewürdigt und eine politisch-motivierte Instrumentalisierung durch die russische Regierung verhindert werden müssten. „Allerdings, so Lehmann, bestehe mit dem aktuellen Koalitionspartner CDU kein Konsens darüber, den 8. Mai dauerhaft als wiederkehrenden Feiertag zu etablieren.“
Die Linke Marzahn-Hellersdorf will den 8. Mai schon länger zum gesetzlichen Feiertag machen. „Das würde ein starkes Zeichen für ein antifaschistisches Bewusstsein setzen“, heißt es in ihrem Instagram-Post.